Die Karibik, das waren für mich immer Piraten, Goldschätze, Rum und Kanonenfregatten. Heute gibt es dort nur noch den Rum. Das Piratenflair findet man auch noch, aber bloß in Form von Hollywood-Kulissen, die nach dem Dreh von „Piraten der Karibik“ übrig geblieben sind. Im Winter 2008 bin ich auf einem Charter-Katamaran mitgesegelt und habe einen der schönsten Urlaube in der karibischen Inselwelt erlebt.
Inhalt
Auf nach Takatuka-Land
Bevor ich mich einige Jahre später dazu entschied, lieber selber ein Boot zu führen als irgendwo mitzusegeln, bin ich damals doch ziemlich häufig irgendwo mitgesegelt. Eigentlich nicht „irgendwo“, sondern bei einem der vielen Anbieter von Charter-Segeltörns in der Karibik. Nur im Sommer in Kroatien mit Freunden herumzuschippern, das langte mir nicht. Ich wollte dort hin, wo bis jetzt nur meine Phantasie unterwegs war.
Es gibt dieses eine Hörspiel von Pippi Langstrumpf, dass ich als Kind auf heavy-rotation gehört habe. Darin wird das Schicksal ihres Vaters beleuchtet. Er vegetierte in einem karibischen Gefängnis vor sich hin, bis Pippi höchstpersönlich dort hinreiste und ihm ein Eisbein per Flaschenzug in seine Zelle schickte. Die Piraten knallten sich derweil in ihrer Höhle mit Rum und Grog den Kopf zu und so gelang es Pippi, ihren Vater schlußendlich zu befreien.
Kurz und gut: da wollte ich auch hin!
Doch bevor ich diesen zweiwöchigen Urlaubstörn antrat, habe ich mir zunächst einmal die Ausgangs-Insel näher angesehen. Das war Martinique, eine Insel genau in der Mitte der wie auf einer Perlenkette aufgereihten Inseln „über dem Winde„. Sie ist Teil Frankreichs und damit der EU. Man zahlt in Euro und das allgemeine Feeling ist das eines sehr südlichen französischen Departments. Aber dazu mehr in einem anderen Artikel.
Mit dem Seesack zum Steg
Schließlich habe ich meinen Mietwagen in Le Marin abgegeben, meinen Seesack geschultert, den Gitarrenkoffer gepackt und mich auf den Weg zum Steg unseres Katamarans gemacht. Ich hatte tatsächlich einen Seesack, zumindest die moderne Variante, sehr beständig und wasserdicht, wenn man alle Verriegelungsmechanismen korrekt bedient hat. Dazu allerdings den klapprigen Koffer mit der Slide-Gitarre in der Hand. Der hatte mir schon bei der Einreise einige Aufmerksamkeit beim Zoll beschert. Klar, da passt ne Menge Dope rein. Hätte ich auch mal genauer reingeschaut an denen ihrer Stelle. Mehr als dass der Halsstab ziemlich schief eingeleimt ist habe ich aber trotz Röntgen nicht erfahren.
Kaum näherte ich mich dem Steg, begrüßte mich Hans der Skipper und sagte, ich solle meinen Kram doch einfach schon mal im Kat deponieren. Samstags werden die Charterboote immer gründlich gereinigt. In diesem Fall war Svend Age, seines Zeichens Chef der Agentur, noch im Boot und organisierte die Verteilung der letzten Spaghettireste der Vorgängergruppe an die nächste Crew. Sobald er von Bord war, übernahm Hans das Kommando und leitete erstmal eine Chlorifizierung der Toiletten ein. Danach eilten wir im Mietwagen mit- und gegen den Straßenverkehr („In der Türkei ist der Verkehr noch viel schlimmer“ – später dachte ich noch öfter an diesen Ausspruch) durch Le Marin und organisierten unsere Einkäufe. Hans besaß ein Gulet (großes Holzboot) in der Türkei und machte den Job des Karibikskippers im Winter, weil in dieser Zeit niemand mit ihm im Mittelmeer herumfährt.
Unsere Crew bestand aus einer Gruppe aus Franken, einer Krankenschwester, einer Schweizerin und mir. Im Nachhinein kann ich sagen, dass diese Konstellation kaum zu toppen war. Aber zu Beginn hatte ich doch so meine Zweifel. Wir kauften die üblichen irrsinnigen Vorräte an Alkohol und beluden das Boot damit. Nur – das Wetter meinte es nicht gut mit uns. Stürmische Winde sorgten für eine ordentliche Welle aus dem Osten und verzögerten unseren Aufbruch. Tja, was macht man bei 30° Celsius im Salon eines Boots, wenn die Alkoholvorräte aufgefüllt sind?
Man verbraucht sie! Und so klimperte ich auf meiner schönen Slide-Gitarre vor mich hin, während die Gruppe einen Gin/Vodka/Rum/Tonic nach dem anderen abschüttete. Ich malte mir Schreckliches aus, wie sollten die nächsten Tage werden? Hätte ich gewusst, dass mich Sandra, die Schweizerin, vier Jahre später auf dem eigenen Boot begleiten sollte, wäre ich wohl optimistischer gestimmt gewesen.
Immer Wind von Backbord
Schließlich legten wir ab. Hans wusste, dass es immer noch sehr kabbelig war. Resultat war dann, dass die großen Wellen zwischen den Inseln unseren Katamaran in regelmäßigen Abständen anhoben und damit für ein ziemlich flaues Gefühl in der Magengrube sorgten. Ich will nicht lange drumherumreden, es soll zwar Dinge geben wie Vitamin C, gesunde Ernährung, wenig Alkohol und eine disziplinierte Betrachtung des Horizonts. Aber daran hat sich natürlich niemand gehalten und schließlich haben die meisten Mitsegler leeseitig die Fische gefüttert. Auch mir lief schon vor Vorfreude das Wasser im Munde zusammen, doch zum Glück erreichten wir rechtzeitig die Lee-Seite der nächsten Insel: St. Lucia.
Eine Freundin verbrachte dort vor einiger Zeit zusammen mit Bekannten den Karneval und konnte berichten, dass Karneval in der Karibik eine nette Umschreibung für Sex in der Öffentlichkeit ist.
Sobald man die Gewässer der Insel befährt, scharen sich schnell einige Motorboote um die eigene Yacht und belatschern den Skipper, doch bitte an der eigenen Boje anzulegen. Man nennt sie die „Boat Boys“.
Sie verbreiten ein weltmännisches Flair, da sie angeblich schon die eine oder andere Engländerin beglückt haben, die es dann leider doch aus unpässlichen Gründen versäumt hat, sie mit nach Hause zu nehmen. Als Reisender aus einem reichen Land darf man hier nie eine simple Wahrheit vergessen: alle, die einen ansprechen, sind arme Schlucker und wollen etwas von einem. Das ist absolut legitim, nur sollte man es korrekt einzuordnen wissen. Wir legen an der Boje des Boat-Boys an und wenig später spratzelt schon der Grill. Irgendeine Pfeife lässt den Grill-Rost ins Wasser fallen… auch emsiges Tauchen bringt ihn nicht wieder ans Tageslicht. Aber unser Boat-Boy leistet uns dafür noch ein wenig Gesellschaft.
Wir sind unschuldige Touristen, kredenzen Cocktails mit Kokosmilch und Rum und da soll unser Boy ruhig auch was von abbekommen. Er erzählt uns von seinem Leben, das im Wesentlichen aus Doperauchen und Ziegenhüten besteht. Und er wird es nicht müde zu erwähnen, dass er als Lover von so einigen Engländerinnen wirklich hoch im Kurs stehe. Wie soll man sich verhalten, als unendlich reicher Europäer, wenn einem so ein Kerl davon erzählt, wie er den Zipfel des Reichtums zu fassen bekommt und es doch niemals schaffen wird, davon wirklich etwas zu greifen? Da hilft auch Reggae Musik von Bob Marley nicht weiter. Für mich war es aber die Nacht, in der Bob Marley Gesicht und Gefühl bekam. Heute sitze ich in meiner frankfurter Wohnung und schaue mit einem merkwürdigen Gefühl zurück auf diese Szene, in der sich die reiche und die arme Welt auf dem Kunststoffdeck eines Boots begegneten. Auch später in anderen Teilen dieser Welt sollte es mir so gehen… dieser Gegensatz ist nicht aufzulösen, damit muss man leben. Oder nicht in diese Länder reisen. Seitdem ist meine Einstellung zu allen „Extragebühren“, abzockerischen Obstverkäufern und Gaunern am Straßenrand die folgende: gib ihnen was ab von deinem Reichtum. Es ist letztendlich Entwicklungshilfe, nur sehr direkt an den Mann gebracht. Ohne eine deutsche Hilfsorganisation dazwischen, die etwa die Hälfte der Spendengelder für organisatorische Zwecke abzweigt.
Bord-Psychologie
Am nächsten Morgen war Sightseeing angesagt. Dampfende Vulkankrater und Fledermaushöhlen wollten besichtigt werden. Ein einheimischer Führer lotste uns (so wie hunderte andere Touristengruppen vorher) durch das Unterholz zu einer heißen Quelle mit Wasserfall. Auch eine Kakaofrucht direkt vom Baum holte er uns herunter. Das weiße Fruchtfleisch um die Kakaobohnen herum schmeckte süß und aromatisch lecker. Ein netter Ausflug und außerdem so ziemlich das einzige, womit wir Touristen die Inselwirtschaft rund um das Städtchen Soufriere ankurbeln konnten. Wir blieben noch auf ein „Piton“-Bier in einer der Kaschemmen in Ufernähe. Die kaputten Holzhäuser mit der abblätternden Farbe wirkten auf uns doch sehr romantisch. In Wahrheit aber war der Verfall der Ortschaft und auch der Menschen hier unübersehbar.
In dieser Nacht sollte mein Kojennachbar aufstehen und im Suff den Motor des Boots starten. Während wir allerdings noch fest an der Boje lagen! Er wollte weg, fühlte sich von den Klippen in der Nähe bedroht. Skipper Hans hat es zum Glück bemerkt und verbrachte den Rest der Nacht mit Erklärungen und Beschwichtigungen. Bei anderen Skippern hätte mein Kojennachbar wohl im nächsten Hafen von Bord gemusst. Bei Skipper Hans nicht, und das ist ihm hoch anzurechnen. Er konnte Konflikte auf eine nette Art lösen, das ist sehr selten unter diesen Touristen-Kommandanten. Besonders, da ich mittlerweile die leidvolle Erfahrung mit anderen Skipper-Admirälen machen durfte (siehe Ein SKS-Törn auf den Kanaren bleibt scheinlos).
Leider ist Hans mittlerweile tot. Er verunglückte wenige Jahre später auf dem Weg zu einem Boot in der Türkei. Abgerutscht mit dem Auto oder dem Mopped, ich weiß es nicht genau. Ich weiß nur, dass seine ultra-obszessive türkische Freundin ihn auf Schritt-und-Tritt überwacht hat, soweit es die damalige Handy-Technologie eben zuließ. Jetzt überwacht er uns von oben und freut sich bestimmt, dass sein damaliger Mitsegler mittlerweile selbst zum Skipper geworden ist.
Der Wind riecht nach… Gras
Wir lösten uns von der Boje. Wir wollten weiter in Richtung Süden. Normalerweise lautet der Plan auf einem solchen Segeltörn, schnell in Richtung Süden zu fahren, um dann gemächlich wieder in den Norden zu kommen. So ist man flexibel, was Wind und Wetter angeht und so hielten wir es auch. Saint Vincent war unser nächstes Ziel. Dank konstantem Passatwind besteht das Segeln im Wesentlichen aus dem Setzen der Segel. Danach wird solange man möchte auf halbem Wind gesegelt und irgendwann holt man die Segelgarnitur wieder ein, um sich ein ruhiges Plätzchen in Lee der Inseln zum Übernachten zu suchen. Wenden oder Kreuzen braucht man nicht. Halsen auch nicht. Solange man stabiles Wetter hat, fährt man einfach seinen Kurs und folgt den reihenweise auftauchenden Inseln.
In welcher Bucht wir genau übernachtet haben weiß ich nicht mehr. Nur, dass nachts plötzlich Taschenlampen im Dickicht zu leuchten begannen. Als verweichlichter Europäer malt man sich in so einem Fall die grausigsten Gründe dafür aus: von karibischen Kannibalen, die es auf weißes Frischfleisch abgesehen haben bis zu korrupten Polizisten, die einem ans Leder wollen… Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass wir vor einem aufgegebenen Hotelkomplex geankert hatten. Die kleinen Gästehütten lagen verstreut am Hang und wie es aussah, gab es noch eine Handvoll Wachmänner, die das Gebiet kontrolliert haben. Tja, es sah ganz so aus, als ob wir selber die Eindringlinge gewesen sind.
Und weiter ging es mit dem Wind! Der nächste Halt war die kleine Insel Bequia mit seiner „Hauptstadt“ Port Elisabeth. Eine große Bucht mit türkisfarbenem Wasser empfing uns. Die verrücktesten Bootskonstruktionen näherten sich uns Neuankömmlingen und boten ihre Dienste an: Verkauf von Frischwasser, Absaugung von Abwasser, Diesel, Wäscheservice und natürlich die allgegenwärtigen Obst- und Gemüseverkäufer. Wir verbrachten den Abend an Land im ziemlich edlen „Devil’s Table – Food and Barrels of Rum“ und anschließend in einer klapprigen Raggae-Bar mit einem unglaublich zugedröhnten DJ – es war wunderbar.
Der Wind blies uns weiter, und zwar nach Mustique. Die Insel der Reichen und der Adligen, der Stars aus Rock und Pop! Und weil man in diesen Kreisen gerne unter sich bleibt, kostet das Ankern vor Mustique auch eine unverschämt hohe Gebühr, die nur von solch großen Touristengruppen wie uns überhaupt noch berappt wird. Ganz ähnlich wie im kroatischen Briuni Nationalpark vor Istrien. Andererseits – in „Basil’s Bar“, so sagt man, kommt hin und wieder Keith Richards vorbei, trinkt seine vier Finger hoch Rum und spielt ein Liedchen auf seiner Klampfe. Und genau das hatte ich ebenfalls vor! Was ich wieder mal verdrängt hatte: keiner der Superstars ist länger als ein paar Wochen pro Jahr in seinem Feriendomizil auf Mustique anzutreffen. Die Chance also, hier auf Bryan Adams, Mick Jagger, Paul McCartney oder Johnny Depp zu treffen ist mehr als bescheiden. Die einzigen Menschen, die hier wirklich leben, das sind die guten Geister in Form von Gärtnern, Hausmädchen und anderen Angestellten, die die Insel am Laufen halten. Und die sie in einen riesigen sterilen Golfplatz verwandelt haben. Sie malen sogar die Kokosnüsse an den Palmen zu Weihnachten silbern an. Nichts wie weg hier.
Soggy Dollars gegen Cocktails tauschen
Bevor wir ablegten, besorgten wir uns noch etwas Fisch bei den herumsitzenden Fischern der Insel. Sie spielen den ganzen Tag Domino. So sieht es jedenfalls aus. Was den Chinesen ihr Mahjong, ist den Kariben ihr Domino. Die Fische waren jedenfalls rot und ziemlich grätig. Auch wenn hier Berge von Gehäusen von Conch-Schnecken herumlagen und wir uns gerne ein schönes Exemplar für zu Hause mitgenommen hätten: lieber nicht, sowas wird vom Zoll einkassiert und man darf dazu noch ordentlich Strafe zahlen.
Wir segelten weiter. Union Island war das nächste Ziel und diese Insel ist eigentlich einen eigenen Artikel wert. Korallen als Wellenbrecher, Lambi’s Bar mit Steel Drum Band und Conch-Schnecken-Ragout. Die Künstler Kolonie. Soggy Dollar „Happy“-Bar (nicht die auf den British Virgin Islands). Beinah abgebrochener Außenborder dank Korallen im Dunkeln. Party mit Carib-Beer. Party mit minderjährigen Nutten, die nach Eheringen suchen. Krankenschwestern, die einen retten. Skipper, die nachts mit Klamotten auf dem Kopf zurück zum Boot schwimmen. Kanonen, die auf Kreuzfahrtschiffe zeigen. Auf dieser Insel gibt es alles. Die Karibik im Kleinen.
Mit nur unwesentlichem Kater im Kopp ging es am nächsten Tag weiter in die Tobago Cays hinein. Das sind schon wieder kleine Inseln, nur diesmal geschützt von einem vorgelagerten Korallenriff. Draußen blasen 5-6 Beaufort Wind und schleudern eine ordentliche Welle an das Riff. Drinnen ist es spiegelglatt und nur der Wind heult – surreal. Hier darf man keinen Pups lassen, keine Fische angeln und auch nicht Ankern, ohne dass gleich ein Parkwächter ankommt und einem nen fetten Strafzettel verpasst. Außer man ist Einheimischer. Dann wartet man ab, bis der Touri an der Boje liegt und verkauft ihm dann den eben frisch harpunierten Fisch. Ich glaube, man nennt es Ambivalenz.
Wer es wollte, konnte hier am Riff und auch dahinter Schnorcheln gehen. Für mich als Brillenträger relativ uninteressant, da ich nichts sehe. Dazu kommt die recht heftige Strömung, die einen in null komma nix weggetrieben hat. Nichts für Landratten. Aber wir konnten mit Wasserschildkröten um die Wette schwimmen. Es wimmelte hier nur so von denen und kam man ihnen zu nahe, schnappten sie nach einem. Habe ich mir später von Dritten erzählen lassen…
Den Wind ab jetzt von Steuerbord
Und dann waren wir auch schon wieder auf dem Rückweg, in Richtung Norden, nach Martinique. Eine Nacht sind wir durchgefahren, unter Motor gegen die Wellen. Es war ein denkwürdiges Gefühl, in der eigenen Koje wie in einem Trampolin zu liegen. Jede Welle führte zu einem kurzen Moment der Schwerelosigkeit. Wenn ich heute daran zurück denke, wie komfortabel es doch alles in allem auf diesem Katamaran war, dann will ich mir wirklich nicht vorstellen, wie sich diese Reise mit meinem kleinen 27 Fuß Bootchen angefühlt hätte. Man kann das aber nachlesen, denn Thomas Langer hatte vor ein paar Jahren mit seiner Albin Vega „Frigga“ diese Route genommen. Und hat dann mitten auf dem Atlantik festgestellt, dass ihn das ewige Geschaukel um den Verstand bringt. Auch ein Argument für mich, erst mal im Küstenbereich des Mittelmeers zu bleiben.
Irgendwie habe ich die Insel Mayreau vergessen. Hier haben wir auch gestoppt, irgendwo zwischen Union Island und den Tobago Cays… – Ich muss kurz über Kreuzfahrtschiffe sprechen. Die haben ja eigentlich alles an Bord, was man jemals brauchen könnte. Nur eines haben sie (noch) nicht: einen eigenen Sandstrand! Und weil es uncool ist, ein Barbecue woanders als an einem karibischen Sandstrand zu halten, mietet man eben mal schnell eine halbe Insel und baut ein Grillbuffet für 3000 Passagiere auf. Das sah dann für uns so aus, dass wir am Vorabend noch mutterseelenallein in einer schönen Bucht vor Mayreau lagen. Während am frühen Morgen ein Kreuzfahrtriese draußen seinen Anker warf und die Beiboote im Morgengrauen damit begannen, den Strand vorzubereiten. Liegen, Tische, Grills und eine zünftige Cocktailbar müssen schon stehen, wenn um 9 Uhr die ersten Gäste eintrudeln. Und ehe wir es uns versahen, lagen wir „im Weg“. Schon merkwürdig, wenn einen nach dem Aufstehen ein paar hundert Touristen-Augen anstarren…
Hey, das war mal unser Strand! Wir sind hier gestern Abend im Schweiße unseres Angesichts die steile Dorfstraße aufgestiegen. Wir waren das, die gestern in Robert’s Bar eingekehrt sind und dort die letzten Biervorräte geleert haben! Wir waren das, die zu Reggae aus einem Subwoofer aus Kanalröhren getanzt haben! Ihr habt währenddessen in eurer Kajüte gelegen und euch zur nächsten nichtssagenden Insel fahren lassen, für die ihr widerwillig die klimatisierte Kabine verlassen müsst, wenn ihr sie besichtigen wollt!
Der alte Robert war korrekt. Mit seinem Joint in der Rechten und der Mundharmonika in der Linken hat er den Laden im Griff gehabt. Nachdem ich mit seinen Jungs ein wenig getrommelt habe und er irgendwann kein Bier mehr hatte, ist er zusammen mit uns in seine Lieblingskneipe gezogen und hat uns dort einen ausgegeben. Das war ein kalt gekachelter Laden, in dem sich die Einheimischen vergnügt haben. Irgendwie hatten sie alle was mit den Touristen zu tun: die Boat Boys, die Barbesitzer, die Charter Skipper wie unser Hans, die örtlichen Nutten (die waren wirklich überall)… es war ein Spaß! Und ich glaube, hier muss ich mich berichtigen: es war hier, wo unser Skipper kein Ende fand und sich erst am frühen Morgen mit den Klamotten auf dem Kopf schwimmend auf den Weg zu unserem Kat machte.
Die Crew wuchs zusammen
Eigentlich war es das. Wir waren noch in den Restekulissen von „Piraten der Karibik“ und haben uns verkleidet und mit Säbeln attackiert. Was anderes blieb uns auch nicht übrig, um die Zeit herumzukriegen: Hans hatte uns schon ausklariert für den Grenzübertritt und wir lagen trotzdem noch in der Bucht dieser Insel. Das ist eigentlich kein Weltuntergang – außer, draußen patrouilliert seit Stunden die Küstenwache. Und da dachten wir uns so, vielleicht sollten wir lieber noch ein wenig klatschnass hier in der Bar sitzen bleiben, bis die Polente wieder weg ist. Alle haben es überlebt. Hinterher gab es gebratene Chillis und spätestens dann war es uns wieder warm!
Was soll ich sagen. Dieser Urlaub war genial und es kamen viele glückliche Umstände zusammen. Und er ist sicherlich so nicht wiederholbar. Aber wer Interesse an solch einem Segeltörn hat, dem würde ich jederzeit empfehlen: mach es! Man sollte sich nicht von alten Karibikhasen beeindrucken lassen, die behaupten, früher wäre dort alles besser gewesen. Fahrt hin und schaut euch die Gegend an. Obwohl tausendfach stärker besucht als früher, ist es dort immer noch ursprünglicher als in den meisten Touristengebieten Europas. Hingeflogen bin ich damals mit Air France, die heute billigflüge anbieten, wie so viele andere Fluggesellschaften auch.
Zum Ausklang noch ein paar Bilder, die ich einfach loswerden möchte…