Eine Woche Martinque zum Eingewöhnen

von Mo

Ich verreise nicht gerne nur für einen 2-Wochen-Event. Wenn ich schon um die halbe Welt fliege, möchte ich auch ein wenig in die örtliche Kultur eintauchen. Und deshalb verbrachte ich im Dezember 2008 eine Woche zur Akklimatisierung in einem Bungalow auf der Insel Martinique, bevor es auf große Fahrt ging.

Ein Bungalow auf Martinique

Die große Fahrt, das war der Segeltörn, den ich schon im Artikel „Segeln mit dem Katamaran durch die Karibik“ beschrieben habe. Die Woche davor habe ich größtenteils nichts gemacht. Niente. Also, keine Pläne geschmiedet, welche Ecken der Insel Martinique ich besuchen möchte. Keine „Must-See“ und „Big-Fife“ oder „Top-10“ der lokalen Touristenhighlights herausgesucht. Letztendlich bin ich dort natürlich schon gelandet. Aber freiwillig. Und immer dann, wenn ich es wollte.

 

Denn ich hatte ein Auto. Das ist sehr zu empfehlen, auch wenn die Karren ein bißchen rumpelig wirken, so bringen sie einen doch zumindest im ersten Gang über jeden Hügel der Insel. Was man bedenken sollte ist, dass es hier in karibischen Gefilden um Punkt 18 Uhr dunkel wird. Eben noch pickt man sein Gepäck vom Gepäckband und sieht draußen den idyllischen Sonnenuntergang. Und schon ist es finstere Nacht. Die Sonne fällt ins Wasser – und wo eben noch die Kolibris koitiert haben, schnalzen jetzt die Grillen.

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Und diese Grillen sind echt tierisch laut. Man hört sie durch die geschlossenen Fensterscheiben und denkt, sie müssen mal mindestens die Größe von Eichhörnchen haben, um diesen Lärm produzieren zu können. Dazu kommt das Gequietsche der Förderpumpen links und rechts der Landstraße. Und es regnet. Und statt Standstreifen haben die Straßen einen metertiefen Seitengraben als Ablauf für das Regenwasser. Einmal falsch gelenkt und der Corsa ist hinüber. Meine Güte, was für ein Einstieg… Navi gab es 2008 auch keins. Hab die halbe Küste nach der Bungalow-Siedlung abgesucht. Dann fand ich die Einfahrt, gleich hinter dem Kaff namens „Le Diamond“, ein kleines Tor am Rande der Landstraße nach Petite Anse: Les Océanides!

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Da stand ich nun in meinem Bungalowchen. Den Seesack über die Schulter geworfen und den Gitarrenkoffer unter dem Arm. Regentropfen so groß wie Murmeln sammelten sich auf den Blättern der Pflanzen im Garten. Und ich dachte mir, dass dieses üppige Grün wohl heute den Regenguss seines Lebens abbekommen hatte. Das war auch so, wie ich später feststellen sollte. Ich lag auf dem Bett und es fiel mir Dank abendlicher Dunkelheit und Jetlag nicht schwer, einzuschlafen.

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Wer früh schlafen geht, wacht auch früh wieder auf. Und so kam es, dass ich in dieser Woche fast immer mit der Sonne aufstand. Das ist früh! Sie geht hier irgendwann kurz nach 6 Uhr auf, der Horizont färbt sich entsprechend früher. Mein Bungalow war schön nach Süden ausgerichtet, so dass ich die ersten Sonnenstrahlen um die Ecke lunzen sah. Eigentlich bin ich eine Eule. Aber für diese eine Woche wurde ich zur Lärche. Was tun mit all der Zeit?!

Ab in den Süden

Zum Beispiel Cruisen gehen. Mit dem Miet-Corsa in aller Ruhe mal die Küstenstraße abfahren (also nicht das, was andere Randgruppen unter diesem Begriff verstehen!).  Was mir auffiel: schon im nächsten Kaff ist der Sand schwarz statt weiß. Und man wird komisch angeschaut, wenn man bei 30° C und 100% Luftfeuchtigkeit eine Regenjacke trägt. Viel Armut. Zerrupfte Dörfer und Flussläufe. Argwöhnisch kuckende Einheimische. Warum ist der nicht in seiner Ferienanlage? Hat er vielleicht sein Kreuzfahrtschiff verpasst? Haben sie ihn ausgesetzt?

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Also erkunde ich die anderen Ecken in Martiniques Süden. Irgendwie steckt in den Straßen ja auch ein Stück meiner Steuern. Denn Frankreich unterstützt seine Départements auf der anderen Seite des Atlantiks nicht zu knapp mit Euronen und hinzu kommen noch Gelder aus EU-Fördertöpfen. Deswegen gibt es hier (und auch auf Madeira und ich möchte meinen Arsch verwetten auch auf den Azoren und Kanaren) exzellente Landstraßen und stylische Flughäfen. War das wirklich so gedacht, als man das System erfand…?

 

Die Landstraßen schlängeln sich den Berg hinauf und sind so prächtig, dass die Einheimischen sie gerne für Rennen nutzen. Es kann also passieren, dass einem auf 1.500 m Höhe über dem Meer in einer engen Kurve ein Kleinwagen auf der eigenen Spur entgegen kommt. Wohin, wenn rechts nur Fels ist und links der Abgrund? Das dachte sich wohl auch der Franz-Karibe und schwenkte mit rauchenden Reifen zurück auf seine Seite des Abhangs… verdammte Hacke, sowas braucht kein Mensch. Zerfetzt werden auf Martinique, da kommt mich am Grab doch keiner besuchen. Sobald mein Herzschlag wieder im Mitteleuropäischen Bereich angelangt war, hielt ich an der nächsten Parkbucht an und besuchte den örtlichen Hähnchenbrater. Die Schwarzkariben braten gerne mal ein Huhn. Besonders gerne in einem halbierten Ölfass. Und so knabberte ich mein Backhendl und bewunderte die in Lokalkolorit verfassten Schilder des Restaurants.

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Weiter rauf den Berg und auch sonst an jeder Ecke gibt es sehenswerte Flora zu bestaunen. Genau wie auch auf Madeira sprießt es hier aus jeder Ecke und ein botanischer Park folgt dem nächsten. Sehr schön ist zum Beispiel der Jardin de Balata in den Bergen nördlich von Fort-de-France. Als sonstige Flora gibt es auf Martinique eigentlich nur noch zwei erwähnenswerte Arten: Zuckerrohr und Bananen. Beide werden auf großen Plantagen angebaut und haben über die Jahrhunderte dazu geführt, dass auf diese Insel nahezu jede Frucht (und auch fast das gesamte Fleisch) importiert werden muss. Dank der Subventionen aus Paris ist das möglich und so wird auch in absehbarer Zeit niemand auf die Idee kommen, hier sinnvollere Dinge als Zuckerrohr und Bananen anzupflanzen.

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Rhum Agricole, ça rule!

A propos Zuckerrohr. Wie auch auf anderen Inseln der Karibik wird er nahezu vollständig zu Rum verarbeitet. Besonders der frische, klare und etwas grasig schmeckende Rhum Agricole ist hier zu erwähnen. Auf Madeira am anderen Ende des Atlantiks heißt er Aguardente, die Brasilianer nennen ihn Cachaça. Bekannte Destillerien sind hier auf Martinique zum Beispiel Dillon, Trois Rivières, Clément oder La Mauny. Alle haben sie mehr oder weniger schöne Destillerien. Die Rumbrennerei in Calheta auf Madeira schlagen sie jedoch mit Leichtigkeit. Hervorzuheben sind hier die Destillerien von Dillon bei Fort-de-France und die von Clément auf der Ostseite der Insel. Gleich daneben befindet sich eine verfallene Bananenplantage inklusive wildem Stier, die ebenfalls einen Besuch wert ist.

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Die Marken Dillon und La Mauny bekommt man auch in den Feinkostabteilungen vieler deutscher Supermärkte. Ein Daumenhoch davon im Schnapsglas zusammen mit einem Viertel ausgedrückter Limette, etwas Zuckerrohrsirup und einer Prise Muskatnuß und schon erhält man den kleinen Apéritif namens Ti Punch. Der macht zwar ganz schön blau, besonders wenn man den „authentischen“ Rum mit 55 Umdrehungen verwendet. Dafür hat er aber ein Aroma zum Niederknien.

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Irgendwann zieht es einen auch mal in die Hauptstadt Fort-de-France. Hier habe ich es weniger als 15 Minuten ausgehalten. Mangels Parkplatz aber dafür mit penetrant drängelnden Einheimischen gesegnet, gab ich meinem kleinen Corsa die Sporen und schon waren wir wieder auf der Landstraße nach ich-weiß-nicht-wo.

Akklimatisierung: fertig

So verging ein Tag nach dem anderen. Früh aufstehen, dann auf dem Markt einkaufen. Natur und Orte besichtigen. An traumhaften Stränden faulenzen. Und abends vor dem Grill zu ein paar Gläsern Rum und mit Gitarrengezupfe den Sonnenuntergang bewundern. Was will man mehr von einem Urlaub. Die Zeit vergeht wie im Fluge, man gewöhnt sich sogar ein wenig an die karibische Gelassenheit. Und mit dieser gesunden Einstellung trat ich den längeren Teil der Karibikreise auf einem Katamaran unter Segeln an.

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