Mal was ganz anderes hier im Blog. Aber wer zu den ersten Artikeln zurückblättert, wird feststellen, dass ich damals recht viel mit indischen Kollegen zu tun hatte. Und das kam so.
Meine damalige Firma wurde um die 10er Jahre herum von einer indischen Firma gekauft. Und so kamen wir Kollegen aus Deutschland immer näher an die Kollegen aus Indien heran (siehe meine Artikel hier und hier). Deren Hauptstandorte waren in Pune und Bangalore, beides Städte, die für ihre Technische Universität und die vielen IT-Firmen bekannt sind. Regelmäßig hatten wir junge Kollegen von dort zu Gast und bildeten sie aus. Für mich war das sehr befruchtend, denn auch wenn viel über die Arbeitseinstellung der Asiaten gelästert wird: auch ihre Art führt zum Ziel! Spätestens, als ich selbst einmal vor Ort war, wurde mir klar, dass die deutsche Gründlichkeit bei über 30°C und regelmäßigem Ausfall der Büroklimaanlage so nicht durchzuziehen war. Die Arbeitszeiten verschieben sich zwangsläufig auf die Vormittagsstunden. Am Nachmittag drückt die Hitze auch im Innern der Büroräume so dermaßen, dass nur noch leichte Arbeiten möglich sind. Plötzlich wusste ich also, warum zu deutschen Bürozeiten nicht mehr sehr motivierte indische Kollegen ans Telefon gingen. Deren Tag war im Prinzip schon gelaufen.
Dass indische Fachkräfte nach Deutschland kommen ist eigentlich nicht neu. Die Personalvermittlung von Indern nach Deutschland hat nämlich eine lange Geschichte und begann schon in den 1950er Jahren, als die deutsche Wirtschaft dringend Arbeitskräfte benötigte, um den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg voranzutreiben. Die erste größere Gruppe indischer Arbeitskräfte kam im Jahr 1960 nach Deutschland, als die Bundesrepublik Deutschland und Indien ein Abkommen zur Anwerbung von Arbeitskräften unterzeichneten. Diese Anwerbung aus Indien und anderen Ländern dauerte bis in die 1970er Jahre an, als die deutsche Regierung die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften einschränkte. Seitdem haben jedoch viele indische Fachkräfte und Experten den Weg nach Deutschland gefunden, um hier zu arbeiten und zu leben. Erst kürzlich reiste unser Bundeskanzler Olaf Scholz wieder nach Indien, um die Werbetrommel für Fachkräfte zu rühren.
Die Integration von indischen Arbeitskräften in Deutschland verlief nicht immer reibungslos. Insbesondere in den ersten Jahren wurden sie oft als „Gastarbeiter“ betrachtet und nicht als dauerhafte Mitglieder der deutschen Gesellschaft akzeptiert. Viele der Einwanderer hatten Schwierigkeiten, die deutsche Sprache zu lernen und sich an die neue Kultur und Gesellschaft anzupassen.
Allerdings haben sich viele der indischen Arbeitskräfte und ihre Familien im Laufe der Zeit erfolgreich in Deutschland integriert. Viele haben hier geheiratet und Familien gegründet und sind zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen Gesellschaft geworden. Viele indische Einwanderer haben auch einen wichtigen Beitrag zur deutschen Wirtschaft geleistet und tragen heute als Unternehmer, Wissenschaftler, Ingenieure, IT-Spezialisten und in vielen anderen Berufen zum Wohlstand des Landes bei.
Eine Anekdote zum Thema Integration fällt mir dabei ein: bei „unseren“ Indern handelte es sich fast ausschließlich um junge Männer in ihren Zwanzigern. In der indischen Gesellschaftshierarchie standen sie recht weit oben, schließlich hatten sie studiert und kamen in der Welt herum. Als Zeichen, dass sie nicht mehr körperlich arbeiten mussten wie ihre Vorfahren, ließen sich manche von ihnen den Nagel des linken kleinen Fingers sehr lang wachsen. Nach dem Motto: „seht her, ich brauche meine Hände eigentlich nicht, bei mir findet die Arbeit im Kopf statt!“ Sehr ästhetisch wirkte das auf uns Europäer nicht, aber andere Länder, andere Sitten.
Eine weitere Anekdote war ihre Unterbringung. Sie lebten zusammen in einer von der Firma angemieteten Wohnung. Nur leider hatten sie keine sehr ausgefeilten Kochtechniken. Vom Putzen ganz zu schweigen. Nicht nur die Toiletten waren irgendwann in einem üblen Zustand. Kurz und gut, die Wohnung musste nach ihrem Auszug gründlich renoviert werden.
Wer heute nach Personalvermittlung aus dem Ausland forscht, findet eigene Plattformen genau zu diesem Zweck: hier sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zueinander finden. Bei uns war das damals aus den genannten Gründen nicht notwendig. Aber nicht jeder arbeitet in einer plötzlich indisch gewordenen Firma. Ich selbst habe dann etwas später auch meinen Hut genommen und arbeite heute für eine Firma aus Norddeutschland. Auch das kann kulturell manchmal spannend sein :-)
[Vielen Dank an den Kollegen Chatbot für die Infos zur Historie von indischen Fachkräften in Deutschland.]