Es gibt eine Millionen Fahrräder in Beijing, sang Katie Melua vor ein paar Jahren im Radio. Damit hat sie wohl Recht. Hinzu kommen neuerdings aber nocheinmal so viele Autos und Scooter. Und so ist das Radfahren in Peking ein kleines Abenteuer.
Chinesen lieben Ordnung
Aber wirklich nur ein kleines Abenteuer. Denn hat man erstmal den komplett durchgeknallten Straßenverkehr in Ländern wie Indien und Indonesien erlebt, kann einen nichts mehr schockieren. Dort würde ich nie im Leben aufs Fahrrad steigen. Aber in China ist das anders. „Organisiertes Chaos“ mit immerhin noch zu erahnenden Regeln, könnte man wohl sagen.
Schaut man sich die offiziellen Einwohnerzahlen von internationalen Mega-Städten an, kann einem schwummerig werden: Paris 2 Millionen. New York 8 Millionen. Jakarta 9 Millionen. Mumbay 12 Millionen. Nicht verwechseln darf man diese Zahlen der Stadtbereiche mit denen der jeweiligen Einzugsgebiete, die noch um einiges höher ausfallen. Und so kommt es, dass für Peking ca. 20 Millionen Einwohner gelistet sind, wo die eigentliche Stadt doch „nur“ 12 Millionen hat. Ein Klacks. Schaut man sich jetzt nur noch den wirklich zusammenhängend bebauten Stadtkern an, bleiben bloß noch lächerliche 8 Millionen Einwohner übrig! Die verteilen sich bestimmt großzügig irgendwo… Mit diesem Wissen gerüstet, warf ich mich in den Pekinger Stadtverkehr. Mein Hotel war nämlich so nett, mir ein Fahrrad gratis zur Verfügung zu stellen und somit war ich das einemillionenunderste Fahrrad auf Pekings Straßen.
Im Geschäftsleben gibt es ja das westliche „yes“ zur konkreten Bestätigung einer Anfrage. Und es gibt das sogenannte „chinese yes“. Dahinter kann sich alles verbergen, von „hab ich verstanden“ bis zu „ich hab keine Ahnung, was du Weißnase von mir willst“. So ähnlich ist das auch mit den Ampelfarben. Ich würde es mal das „chinese red“ nennen. Man ist zwar für den größten Teil der eigenen Grünphase in Sicherheit. Völlig ausgeschlossen ist es aber nicht, dass ein wild gewordenes Monster-SUV mit Vollgas in die belebte Kreuzung hinein brettert. Immer noch besser als in Indien, wo Ampelfarben gänzlich unbekannt sind. Aber eben auch noch nicht auf europäischem Niveau. Das sollte man wissen, bevor man bei Grün die Kreuzung betritt.
Schere, Stein, Papier
Die Rangfolge im chinesischen Straßenverkehr ist ansonsten streng hierarchisch gegliedert: LKW und Bus schlägt Monster-SUV. SUV schlägt normales Auto. Auto schlägt Mopped. Mopped schägt Fahrrad. Fahrrad schlägt Fußgänger. So einfach ist das. Manchmal versucht auch das Monster-SUV den Bus zu schlagen. Wie das aussieht, zeigte eindrucksvoll ein Haufen Blech hinter einem kaum lädierten Reisebus.
In der Praxis muss man daher als Fußgänger und natürlich auch als Radfahrer seine Augen überall haben. Das liegt auch an den überall herumwuselnden lautlosen Elektrorollern. Man hört sie nicht und plötzlich zieht neben einem so ein Ding vorbei. Dabei sehen diese klapprigen Roller aus, als stammten sie noch aus Maos Zeiten. Dafür müsste es doch in Deutschland auch einen Markt geben, denn teuer können die ja nicht sein. Jedenfalls, wenn für mich gebremst wurde, dann nur, weil ich kein Chinese war. Wer Ausländer schädigt, kann in den Knast wandern. Das scheint sich tief im Hirn der Chinesen verankert zu haben. Ansonsten ist es sehr hilfreich, wenn man zu Beginn seines Asienaufenthaltes immer hinter den Einheimischen herläuft oder –fährt. Das Tempo ist eher gemütlich, so kann man sich in das fremde System langsam einfinden. Sehr gut ist, dass Fahrradfahrer eine eigene Fahrbahn haben. Sie ist auch physikalisch vom Rest der Straße getrennt, es ist dort also relativ sicher.
Fahrräder kommen überall durch
Die Straßen sind meistens verstopft, so kommt man mit dem Fahrrad allemal zügiger voran als mit dem Taxi. Falls einen das Taxi überhaupt mitnimmt. Denn sobald man auf das Taxameter besteht, fordert der Fahrer lieber einen wesentlich höheren Festpreis. Das macht Taxifahren zu einem unangenehmen Unterfangen. Mit dem Rad hat man dieses Problem nicht, man stellt es einfach dort ab, wo man anhalten möchte und kann sich auch in aller Ruhe die Hutongs, die kleinen Gassen in der Altstadt von Peking anschauen. Alternativ könnte man dort auch per Rikscha, geführter Fahrradtour oder sogar im Beiwagen eines Motorrads durchfahren. Ist aber alles recht teuer und im Prinzip unnötig. Hat das Hotel kein Fahrrad, so findet man an den öffentlichen Ausleihstationen immer welche oder man kauft sich eben eines bei einem der kleinen Reparatur-Shops in den Hutongs.
Als andere Verkehrsmittel wären da noch die Busse und U-Bahnen zu erwähnen. Die Busse scheiden für mich völlig aus, da die aushängenden Pläne nur auf Chinesisch waren. Die U-Bahn ist eine Empfehlung wert. Größtenteils neu und gut beschildert. Hierfür gibt es eine kleine aber nützliche App, die nichts weiter kann, als den U-Bahnplan von Peking anzuzeigen. Die Bahn verläuft ringförmig um die Innenstadt, das hilft einem in vielen Fällen also auch nicht weiter, wenn man von Nord nach Süd möchte. Die Preise für Bus und U-Bahn sind wirklich lächerlich niedrig. Man sollte also allein schon deswegen chinesisch lernen…
Mein Fazit für Fahrradfahren in Peking lautet definitiv: machen! Man erlebt die Stadt sehr direkt, kann überall anhalten, ist flott unterwegs und braucht sich nicht mehr um andere Verkehrsmittel zu kümmern.
Zurück zur Übersicht der China Artikel.