Wenn es „Büüütt“ durch den Wingert schallt, ist wieder ein Eimer bereit zur Abholung durch die „Bütt“, also den großen Sammelkorb des Winzers. Wir waren einen Tag dabei zur Weinlese in Mainz-Laubenheim.
Je nach Region heißt dieser Behälter natürlich unterschiedlich: mal ist es offiziell die „Trage-Bütte„, dann nur die „Bütt“ und bei uns auch mal die „Butz“. Ganz einig ist man sich in Rheinhessen wohl nicht. Vielleicht habe ich das auch falsch verstanden, aber gemeint ist immer das selbe korbartige Behältnis zum Tragen der Trauben auf dem Rücken. Doch was hat uns eigentlich in den Weinberg verschlagen…?
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Inhalt
Die goldene Herbsteszeit
Ein Freund von uns, Christopher Dellee, hat zusammen mit seinem Freund Oliver Grimm irgendwann in grauer Vorzeit beschlossen, eigene Weine zu keltern. Christopher ist Geschäftsführer von Asbach und Oliver betreibt die Goldene Ente in Laubenheim. Mit Essen und vor allem Trinken kennen sich die beiden somit aus und man kann sie wohl als echte Laubenheimer Gewächse bezeichnen. Hin und wieder tranken wir also einen Wein der Dellee & Grimm Weinkellerei und kamen uns durch diese Connection schon fast selbst wie echte Winzer vor… Man muss dazu sagen, dass man ihren Wein außerhalb von Laubenheim eher nicht kaufen kann, aber innerhalb des Dorfes ist er omnipräsent.
Nun standen wir neulich auf einem der größten herbstlichen Weinfeste von Mainz, dem Mainzer Weinmarkt, zusammen und tranken Wein, da fiel es Christopher plötzlich ein, dass am nächsten Wochenende schon der erste Weinberg abgeerntet werden soll. „Berg“ ist dabei nicht ganz wörtlich zu nehmen, es handelt sich in diesem Fall genaugenommen um eine gute Hand voll Reihen mit Rebstöcken, die er für die gemeinsame Weinkellerei bewirtschaften lässt. Davon gibt es mehrere mit unterschiedlichen Traubensorten in unterschiedlichen Lagen. Die jetzt zur Lese fälligen Reben trugen jedenfalls den grünen Silvaner. Da ich weder Getränketechniker, Winzer, Weinprinz noch sonst wie mit diesem Gewerbe verbandelt bin, verzeihe man mir die eventuell nicht ganz korrekten Bezeichnungen einiger Zusammenhänge.
Rein in die Trauben
Die Silvaner Traube ergibt einen leicht grünlich schimmernden Weißwein „mit feiner Säure und zarter Blume“, wie Wikipedia es beschreibt. Fakt ist, dass er zu den am besten gehenden Weinen der Weinkellerei gehört. Außerdem liefert er gute Erträge, die Traube „ist selten geschultert, mittelgroß und mittel dichtbeerig bis kompakt. Die rundlichen Beeren sind mittelgroß und von grünlicher Farbe“. Das können wir so unterschreiben, wie man gleich sehen wird.
Für den Tag der Weinlese Mitte September war reichlich Regen angesagt worden. Nach fast zwei Monaten Trockenheit und hohen Temperaturen fiel das Lesedatum diesmal wohl etwas früher als üblich aus. Letztendlich hielt sich der Regen in Grenzen und man kann behaupten, einen goldenen Herbsttag mit milden Temperaturen erlebt zu haben. Am Weinberg tröpfelten nach und nach die Lesehelfer ein, bis wir ungefähr ein Dutzend waren. Mitgerechnet schon den harten Kern, denn nicht nur Christopher und Oliver packten mit an, sondern auch noch weitere junge Enthusiasten, die sich auch etwas tiefer mit der Materie auskannten. Wie gesagt, nicht alle Zusammenhänge waren mir geläufig.
Zum ersten Mal Erntehelfer
Voller Spannung gingen wir also zum ersten Mal auf Weinlese und bekamen gleich die nötige Ausrüstung mitgegeben, nämlich einen schwarzen Eimer und eine spitze Schere. „Lesen“ im klassischen Sinne bedeutet „Auswählen“ der Trauben. Wir Anfänger bekamen zum Glück die Anweisung, einfach alle Trauben zu ernten. Ansonsten könnte man mit entsprechend Ahnung und Geduld auch versuchen, nur die reifsten Trauben zu ernten und den Rest noch eine Weile hängen zu lassen. Wie auch immer, die Handlese hat den Vorteil, die Beeren größtenteils unverletzt zu lassen und deshalb gilt diese Art der Ernte als besonders schonend.
Am selben Tag fuhr nicht weit von uns ein bestellter Vollernter über einige andere Reihen und brachte so innerhalb kürzester Zeit durch Rütteln und Schütteln sämtliche Trauben ein. Ich habe es im Eifer des Gefechts noch nicht einmal mitbekommen, so schnell ging das! Durch die verwendete Technik ist der Vollernter zwar schneller und auch die Traubenstängel bleiben an der Rebe und landen nicht in der Maische. Dafür sehen die Beeren hinterher doch ziemlich derangiert aus und der Winzer muss sich beeilen, seine Lese in den Weinkeller zu bringen, bevor hier die spontane Vergärung beginnt.
Für uns hieß es nun: wo sind die Trauben und wie bekommt man sie abgeschnitten?! Das klingt banal, aber einige Trauben hingen so dermaßen eng umschlungen an ihren Reben, dem Draht oder gar den Metallpfosten, dass kein Anfang zu erkennen war. In diesem Fall war uns aber sanfte Gewalt erlaubt worden. Die Blätter konnte man ohne Bedenken abrupfen, falls sie im Weg waren und die Sicht behindern sollten. Und bei den Trauben darf man zur Not auch mal rabiat zu Werke gehen. Wenn sie sich nicht fügen wollen, wozu hat man die spitze Schere? Mittenrein in die Trauben und irgendwo findet sich schon eine Stelle zum Spalten.
Unser größter Anfängerfehler war nämlich, immer den obersten Trieb finden zu wollen. Hat man den durchgeschnitten, fällt einem das Traubenbündel elegant in die Hand oder sogar gleich in den Korb. Nur leider ist das selten der Fall und man tastet sich schrittweise zur Quelle vor. Oder verschwendet Zeit mit der Suche nach der optimalen Stelle zum Abschneiden.
Kinderarbeit macht Spaß
Irgendwann hat es dann auch der zärtlichste Erntehelfer geschafft, seinen Eimer zu füllen. Und spätestens jetzt sollte er lautstark nach der „Bütt“ rufen. Daraufhin kommt ein fleißiger Helfer mit der Bütt auf dem Rücken und man schüttet ihm die geernteten Trauben in sein Behältnis. Er wiederum leert seine Bütt in den großen Hänger und dann beginnt alles wieder von vorn.
Hat man an solch einem Erntetag auch Familien mit Kindern dabei, so eigenen sich kleine „Kinder-Bütt“ hervorragend dazu, die lieben Kleinen zu beschäftigen. Ansonsten fangen sie nach kurzer Zeit nämlich an, das Unterfangen der Weinlese subtil zu boykottieren: keine Lust mehr auf Traubenschneiden, hier ein Loch im Finger, Hunger, Pipi etc. Die Kinder-Bütt löst dieses Problem auf elegante Weise, denn hiermit können die Zwerge sich nicht nur wichtig fühlen, sie sind es auch! Ein eingespieltes Team aus erwachsenem Erntehelfer und freiwillig versklavtem Bütten-Kind ist einfach unschlagbar. Nächstes Mal lassen wir uns bezahlen, und zwar im Akkord!
Nach ein paar Stunden ist auch die längste Reihe abgeerntet und die Erntehelfer merken plötzlich, dass sie auch noch über einen knurrenden Magen verfügen. Als naive Neu-Erntehelfer kramten wir sofort den morgens frisch gebackenen Quetschekuchen hervor. Aber ach, der Plan lautete leider anders. Am wichtigsten sind nunmal die frisch geernteten Trauben und diese müssen nun so schnell wie möglich ins Weingut gebracht werden. Die größten Freunde und gleichzeitig die größten Angstgegner des Winzers sind nämlich Enzyme und Hefen! Die stecken nicht nur im Hefeteig, sondern fliegen auch sonst so überall herum und daher ist nach der Ernte Eile geboten, um eine spontane Vergärung zu vermeiden.
Volle Bütt, voller Hänger: ab in die Kelter
Alsdann, rauf auf den Trecker, den Unimog gestartet und ab geht es in die nahe gelegene Weinkellerei am Marienhof. Diesen Hof kann man nicht nur für Feiern mieten, er ist im Kern vor allem ein Weingut mit allem, was der Winzer zur Herstellung seiner guten Tropfen benötigt. Und hier werden die Trauben nun aus dem Hänger direkt in die Presse gepumpt. Hierbei kommen die Vorzüge eines Unimogs zum Tragen, denn über eine separate Antriebswelle am Motor kann die Transportschraube im Hänger betrieben werden. Alle Trauben, mitsamt Stil und Stengel, werden also mit sanfter Gewalt durch einen Schlauch in die Presse gepumpt. Dabei werden sie auch gleich zerkleinert, so dass die Pressmaschine weniger Arbeit hat. Das Resultat ist die Maische.
Bei der Pressmaschine handelt es sich um eine Neuanschaffung, auch wenn sie eigentlich aus den 80ern stammt. Von Raketentechnik kann man hier zwar nicht sprechen, aber sie holt mit Hilfe von ein paar Tricks auch noch den letzten Tropfen Traubensaft aus der Maische heraus. Das Ergebnis heißt ab jetzt „Most“ und schmeckt fantastisch, denn im Rohzustand enthält der frisch gepresste Most noch sämtliche Aromen und Geschmacksdetails, die dem filtrierten und abgekochten Traubensaft später fehlen.
Die Pressmaschine besteht aus einer großen drehbaren Trommel, die an verschiedenen Auslässen den Most nach unten in eine Wanne laufen lässt. Am Anfang geht das schnell und leicht, aber später muss der Kompressor ran. Über den Wechsel von Druck und Entspannung kann im Inneren der Trommel eine stabile Folie um die Ernte gepresst werden. Dieser Vorgang aus Pressen und Entspannen findet nun mehr oder weniger automatisch gesteuert statt, so dass man lediglich die Saftwanne im Auge behalten muss. Sobald sich hier genügend Saft gesammelt hat, sollte man die Pumpe anwerfen, um den Most in einen der Edelstahltanks zu pumpen.
Taufe der neuen alten Pressmaschine
Die meiste Arbeit ist jedenfalls das Ernten. Was danach kommt, ist im Wesentlichen ein Verbinden von Schläuchen mit Behältern und Abwarten, dass etwas passiert. Ab jetzt ist Know-How gefragt statt Muskelschmalz, der Winzer übernimmt. Langweilig wird es trotzdem nicht, denn der interessierte Laie kann sich endlich einmal alles genau erklären lassen. Und zum Glück wird heute nicht der erste Jahrgang gekeltert und deshalb steht immer ein Schoppen Silvaner des Vorjahres zur Verfügung und will verköstigt werden.
Auch der Riesling des Vorjahres ist zu empfehlen.
Oder auch – hicks – der Grauburgunder.
Oer ers recht der -%&§ – Pottegiser Weiserbst…
Die neue Presse musste natürlich getauft werden, nur an den Namen konnte ich mich seltsamerweise nicht mehr erinnern. Und irgendwann, wenn die Herbstsonne schon lange hinter dem Horizont verschwunden und der eigene Magen mit Weck, Worscht und Wein gesättigt ist, dann entscheidet der Winzer: is‘ gut für heute! Der Tank ist gefüllt, die Geräte werden penibel gesäubert und wer von den Helfern immer noch da ist und noch immer keinen sitzen hat, der sollte zum Abschluss des Tages wirklich einmal die letzte Ernte probieren.