Ein kurzes Portrait des Little Germany auf Madeira.
Wer als Deutscher ein bisschen alternativ drauf ist, den zieht es nach der Midlife Crisis entweder a) nach Gran Canaria zum Bananen züchten, b) nach Formentera, um Hippie zu werden oder c) nach Madeira, um dort eine Pension zu eröffnen. Im Fall von Madeira sind alle Deutschen anscheinend in Caniço de Baixo gelandet. Nachdem man am Flughafen seinen Mietwagen übernommen hat, ist man schon eine viertel Stunde später vor Ort. Die nächste Abfahrt danach wäre schon Funchal, aber da kann man ja die folgenden Tage noch hinfahren (auch mit dem Bus, er fährt jede Stunde).
Es ist schon ein wenig schräg, hier aufzuschlagen und die meisten Touristen Deutsch reden zu hören (neben etwas Britisch und Französisch natürlich). Vor zehn Jahren war mir das gar nicht so bewusst gewesen. Das von Deutschen geführte Café Klenk war damals mein Hotel. Diesmal war es die Vila Ventura, auch von Deutschen betrieben. Darf es ein Ausflug mit dem Kayak sein? Man spricht Deutsch. Die Karte im Restaurant? Deutsch bitte. Wen trifft man auf diversen Wanderwegen? Deutsche und Österreicher. Anstandshalber grüßt man auf Englisch, aber Deutsch wäre sicherlich effektiver. Ganz schön unangenehm. Trotzdem, es ist wie in den Niederlanden: klar würden sie einen verstehen, aber höflicher ist die Ansprache im internationalen Englisch. Gerade im Restaurant kann man so Pluspunkte sammeln. Der Espetada musste auch diesmal wieder gegessen werden und er schmeckte auch genauso gut!
Denn auch wenn die Chefs aus dem Schwäbischen kommen: die Angestellten können bis auf die üblichen Floskeln eher wenig Deutsch und freuen sich, auf Englisch weiter zu kommunizieren. So ist es auch in den Restaurants. Ich würde empfehlen, auch als Deutscher weiter beim Englischen zu bleiben. Das wird einfach am besten verstanden und wirkt nicht so überheblich. Auch ganz witzig ist es, als Gegenbeispiel einfach komplett zu ignorieren, dass man Deutschland verlassen hat und im nächstbesten Lokal („A Traineira„) einfach auf Deutsch „Scholle Müllerin Art“ zu bestellen. Gibt doch schließlich Fisch hier, also her damit. So erlebt bei zwei älteren Pärchen, die in ihrer Jugend vermutlich noch Russisch gelernt haben. Mei, da würde man am liebsten für seine Bundesgenossen in Grund und Boden versinken.
Davon abgesehen ist dieses Little Germany nicht ganz verkehrt. Die Partyjugend fehlt und somit wäre alles über 15 Jahren nicht mehr mit dabei, da fließen höchstens Krokodilstränen bei mir. Klar ist ein Großteil der Kundschaft deswegen auch zwischen 50 und 70. Gegessen wird um18 oder spätestens 19 Uhr und den letzten Kaffee gibt es um 4, sonst können wir nicht mehr schlafen. Aber was soll’s, ich mache drei Kreuze, dass Madeira noch nicht zum Mallorca der Portugiesen verkommen ist. Die Generation U30 wird mit folgender Konversation am Frühstückstisch nicht viel anfangen können, aber sie sagt viel über die hiesige Kundschaft aus:
Sie: „Neuerdings recht viel Neil Diamond zum Frühstück, findest du nicht, Schatz?“
Er: „Ja, endlich spielen sie mal was Vernünftiges!“