Wer am Martinstag noch spontan versucht, eine Gans zu bekommen, muss entweder Tiefkühlware nehmen oder sich lange vorher darum gekümmert haben. Bei Edeka fand ich die interessante Alternative, nämlich eine (kleine) halbe Gans, die schon fix und fertig ist und nur noch kurz in den Backofen muss.
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Der Weg zum schnellen Gänsefleisch
Eigentlich hoffte ich, um diese Jahreszeit ganz normale frische Gänsekeulen zu finden. Abseits vom Wochenmarkt oder Großhändlern wie der Metro ist das aber leider nicht möglich. Man könnte natürlich auf Entenkeulen ausweichen, aber die kommen an Sankt Martin natürlich nicht auf den Tisch. Und da ich sowieso eine Schwäche für Fertigprodukte habe und sie gerne teste, fiel mein Blick beim Streifen durch die Gänge des Edeka-Supermarkts auf das „Flinke Gansl“ des Herstellers Wiesbauer. Wie das mit flinken und fixen Produkten so ist, haben wir es auch in diesem Fall mit einem Convenience Produkt zu tun. Das Gänsefleisch wurde in seiner Plastikverpackung „sous-vide“ gegart, ähnlich wie die Spare Ribs von Lidl in meinem anderen Test und genauso wie der Schweinebauch, ebenfalls von Wiesbauer. Es ist fertig gewürzt und im Prinzip verzehrfertig, so dass man die Gans bloß noch aufwärmen braucht.
Der Clou bei einer guten Gans ist natürlich die knusprige Haut. Die hat ein solches gekochtes Federvieh natürlich nicht und daher liegt der Fokus der Zubereitung auf dem Knusprigmachen der Gänsehaut. Das soll durch Abtupfen und dann im Backofen braten bei 180 Grad Umluft funktionieren. Hier ein Link zur Anleitung des Herstellers, inklusive Video. Dort sehen wir Helmut Österreicher, einen Sternekoch, der sich nicht schämt, die Plastiktüte aufzuschneiden und die Gans in den Ofen zu schieben. Mei, was macht man nicht alles für ein kleines Zubrot! Dass die Zubereitung einer wirklich guten Gans nicht ganz trivial ist, habe ich in meinem Beitrag „Best of Gänsebraten“ schon erwähnt. Jetzt sind wir mal gespannt, wie es zu hause klappt.
Ein Wursthersteller versetzt Berge
Doch von vorne. Der Wursthersteller Wiesbauer stammt aus Österreich, genauer gesagt aus Wien und gelangte vor ein paar Jahren in die Schlagzeilen, als er aus Marketinggründen eine Bergspitze in Tirol umbenennen wollte. Aus dem Mullwitzkogel sollte die Wiesbauerspitze werden. Offiziell ist das wohl auch geschehen, bloß juckt es niemanden. Der Berg heißt im Volksmund immer noch Mullwitzkogel, der Alpenverein verwendet den alten Namen und auch Wikipedia nutzt eine direkte Weiterleitung darauf, wenn man „Wiesbauerspitze“ eingibt. Der perfekte Boykott also. Ich weiß nicht, wie unsere Bayern reagieren würden, wenn sagen wir mal eine Berliner Firma ihre Zugspitze umtaufen würde. Andererseits hält sich der Protest bei schon mehrfach umbenannten traditionellen Fußballstadien schwer in Grenzen. In Frankfurt zum Beispiel juckt es niemanden mehr, wie das Waldstadion gerade offiziell heißt.
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Das flinke halbe Gansl
Die halbe Gans scheint, seit sie hergestellt wird, kräftig geschrumpft zu sein. Schaut man sich im Internet um, wurde ihr Gewicht bislang mit 1,5 Kg angegeben. Hier in der Packung sind es heuer nur noch 1,2 Kg. Dafür hat sich der Preis gegenläufig entwickelt, nämlich von 14 Euro auf 23,30 Euro pro Kilogramm! Das ist ein Plus von 66%, da bleibt einem doch glatt das Gänsefutter im Halse stecken. Ob das jetzt an Inflation, Lieferkettenproblemen oder neuerdings hohen Erzeugerpreisen liegt, kann ich nicht sagen. Da die Gans aus dem „EU-Land“ kommt, ist aber davon auszugehen, dass es sich um eine osteuropäische, konventionell aufgezogene Billiggans handelt. Jeder mache sich sein eigenes Bild.
In der Packung ist außer der eingeschweißten Gans nichts weiter enthalten. Die Anleitung steht ja drauf, also wird sie nun erst einmal mitsamt ihrer Kunststoffhülle in heißes Wasser gelegt. Das ist einfacher geschrieben, als getan. Denn hier muss schon ein richtiger Gänsebräter ran, in andere Töpfe passt das kleine Ungetüm nämlich nicht hinein. Ziel ist es, den durch das lange Kochen anhaftenden Schlabber und das Fett zu verflüssigen. Schneidet man nach ein paar Minuten die Packung auf, kann man das meiste davon abgießen und später für die Sauce verwenden. Der sich beim Garen bildende Schlabber sollte dabei unbedingt aufgefangen werden, denn er enthält den guten Gänsegeschmack. Falls noch festes Fett zwischen dem Flügel, dem Schenkel und der Brust feststecken sollte, kann man es ganz einfach mit einem Löffel herauskratzen. Ich würde es nicht in die Sauce werfen, wer braucht schon ein zentimeterdicke Fettschickt auf der gebundenen Sauce.
Die Nährwerte
Das Fett bringt uns direkt zur Nährwertetabelle. Sie sieht für eine Gans auf den ersten Blick recht normal aus: 21% Fett enthält so eine Erna ohne Weiteres. Diesen Anteil könnte man durch Auskratzen des festen Fetts oder Abschöpfen im flüssigen Zustand sicherlich auf unter 10% drücken. Der Salzgehalt von 1,3% ist dagegen sehr hoch. Empfohlen wird eine tägliche Salzmenge von nicht mehr als 5-6 Gramm. Die vorliegende Gans mit ihren 1,2 Kg enthält also insgesamt 15,6 Gramm. Wobei das Salz sicher nicht in den Knochen steckt, sondern im Fleisch, das auch tatsächlich ziemlich salzig schmeckt. Ich würde also schätzen, dass im Fleisch etwa 20 Gramm Salz enthalten sind. Isst man daran zu zweit, sind das ca. 10 Gramm pro Person, was jeglichen Rahmen sprengt. Convenience Food ist selten gesund, das muss man sich eben hinter die Ohren schreiben. (Ergänzung: der Salzanteil sollte sich tatsächlich nur auf den verzehrbaren Anteil des Produkts beziehen. Leider ist das EU-Recht hier nicht eindeutig, so dass Zweifel angebracht sind.)
Es ist angerichtet
Das Gans liegt nun trocken abgetupft bei 180 Grad Umluft im Backofen und wartet darauf, knusprig zu werden. Die Empfehlung des Herstellers, nach 20 Minuten auf Oberhitze zu schalten, habe ich ignoriert. Wie ich in meinem ausführlichen Artikel zum Gänsebraten schon geschrieben habe, muss eine Gans von allen Seiten Hitze bekommen, damit die Haut rundrum krusprig wird. Keine Experimente also und nach einer guten halben Stunde kommt sie wieder aus dem Ofen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, sie ist zwar etwas zerrupft aber dafür auch lecker knusprig geworden. Das Fleisch ist sehr saftig, nicht nur am Schenkel sondern auch das Bruststück. Und durch das lange Garen sous-vide kann man die halbe Gans mit einem Messer leicht zerteilen.
Und nun die große Frage: wie schmeckt sie denn? Die Antwort ist leicht: gut schmeckt sie! Von einer Sterne-Gans ist sie zwar so weit weg wie Wien von Tirol. Sie ist auch recht salzig, aber dafür eben auch knusprig und zart. Die Würzung ist unaufdringlich, man schmeckt vor allem etwas Pfeffer heraus. Da es sich bei einem Gänsebraten um ein Gericht handelt, das naturgemäß selten auf der Speisekarte landet, kann man mit den erwähnten Nachteilen leben. Fett, Salz und viel Fleisch sind nun einmal ungesund, das weiß mittlerweile jeder. Aber wer keine Lust auf große Kochorgien hat und gewillt ist, das Geld für eine solche Gans auszugeben, der wird mit einem leckeren Gericht belohnt.