Wir Hessen haben einen eigenen „Hessentag„, weiß der Geier warum. Die ursprüngliche Idee war wohl, der Bevölkerung eine gemeinsame Identität zu verpassen. Historisch betrachtet hatten Nord- und Südhessen wohl mal eher wenig miteinander zu tun. Jedenfalls, auf diese Weise kommt die eine oder andere Gemeinde zu Weltruhm, indem sie diesen Hessentag ausrichten darf.
Eigentlich ist es eher ein Bratwurst-Pommes-Polizei-und-Armee-Tag. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest beim Flanieren über die Orscheler Straßen. Keine Ecke, an der nicht ein Polizeiverein um Aufmerksamkeit wirbt oder ein Hubschrauber der Bundeswehr als Spielplatz für Kindergartenkinder dient.
Ja, was ist denn hier los, fragt sich der Hesse… The Army needs you oder what? Wusste gar nicht, dass wir in Hessen soviel Militär und Polizei haben. Gut, die paar atomaren Langstreckenraketen sind ja ein alter Hut. Aber hat es die Bundeswehr so nötig, um Nachwuchs zu werben? Scheinbar ist es so. Also immer rein in die Tornados und in die Hub-Schrabb-Schrabbs, ihr lieben Kleinen. Baggerfahren war gestern, in 20 Jahren muss ja auch noch irgendwer in Afghanistan Wache schieben können.
Davon abgesehen herrscht auf dem Hessentag kulinarische Gleichschaltung: ein Bratwurststand folgt dem anderen. Eine 1/2 Meter Bratwurst von unseren thüringer Nachbarn, die aber in ein winziges Brötchen passt… wer wird da schon nachrechnen wollen. Eine Pommesbude folgt der nächsten, ein Crêpe-Stand dem anderen. Echt traurig. Eine der wenigen lobenswerden Ausnahmen ist der Stand mit gebratenem Lachs. Dieser wird auf eine Holzplanke genagelt und über das offene Feuer gehalten. Sehr lecker und auch sehr teuer. Man bucht es ab unter „kulinarische Entwicklungshilfe“.
Kleiner Schwenk zum zeitgleich stattfindenden Frankfurter Wäldchestag.
Von diesem sollten sich die Veranstalter mal ein Scheibchen abschneiden. Hier gibt es Spare-Ribs, Bratfisch und anderes Meeresgetier, Hot-Dogs und Paella. Das alles wird zwar zu Preisen angeboten, die man nur noch sittenwidrig nennen kann, aber lecker is des halt scho! Und nicht zu vergessen die Krone der Schöpfung: saure Gurken. Ein altes Männlein aus der Wetterau hat seine zwei Töpfe aufgebaut und verkauft für einen Euro pro Stück gigantische saure Gurken. Hier stimmt das Preis/Leistungsverhältnis zwar, dafür hält sich der Coolness-Faktor arg in Grenzen.
Zurück zum Bundeswehr-Rekrutierungstag. Hier hatte erstaunlicherweise die Bundespolizei – welche ebenfalls üppig vertreten war – den attraktivsten Cocktail-Stand. Dieser war angenehem mit Sand und Sonnenschirmen ausgestattet, und nach einer Weile hatten wir uns sogar zwei Liegestühle organisiert. Noch ein Weilchen später gesellte sich Constanze, ihres Zeichens selbständige Finanzberaterin, zu uns in den Sand. Nachdem sie uns erläuterte, wie schnell man aus 0 Euro mal eben 7000 Euro machen könnte, und man sie dafür nur mal eben anzurufen bräuchte, war sie leider in nullkommanix auf meiner persönlichen Balz-Skala durchs Raster gefallen. Manche Leute können einfach nicht abschalten.
Der kleine blaue Zeppelin mit der Goodyear-Werbung drauf, welcher die ganze Zeit über uns herumknatterte, ist dann später abgestürzt. Aber zum Glück nicht auf die Stadt.