Als Dippegucker musste ich einfach irgendwann einen eigenen Ebbelwoi aufsetzen. Diesen Herbst war es soweit und das erste Ergebnis hat schon nach wenigen Wochen überzeugt.
Das Geheimnis vom Stöffche
Rund um die im Frankfurter Raum gebräuchlichen Begriffe zu lokalen Besonderheiten liegt ein wahres Minenfeld. Darf man zu Apfelwein wirklich Äppler sagen oder outet einen das schon als Juppie? Und wenn man den Begriff Juppie schon nicht mehr kennt, darf man dann wenigstens Äppelwoi sagen oder schmeißt einen der Wirt vom Wagner in Sachsenhausen gleich raus…? Eigentlich worschtegal, denn wichtig ist, was hinten rauskommt. Aus Apfelsaft wird durch Vergärung Apfelwein und wie das funktioniert, möchte ich hier kurz schildern.
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Scannt man das Internet nach „How to Apfelwein selber machen“ so landet man umgehend in einer Blase aus oberflächlichen Influencern, Leuten die Werbung machen wollen oder Leuten die einfach nur von anderen abschreiben. Trotzdem werden diese Seiten mannigfach geklickt und somit landen sie auf den ersten Rängen in Googles Ergebnislisten. Gräbt man etwas tiefer und folgt den Verweisen auf die Seiten von diversen Herstellern von Kellereizubehör, so ist man schon einen großen Schritt weiter. Diese Leuten wollen uns etwas verkaufen und sie wollen, dass wir Erfolg haben. Und deswegen ist man gut beraten, ihren Tipps und Tricks mehr Glauben zu schenken als all den glänzenden Webseiten von oberflächlich daherkommenden Clickbait-Dealern.
Der Rohstoff – der Apfel
Der Apfel wächst am Baum und dort kann man ihn ernten, sobald er reif ist. Je nach Sorte ist das früher oder später im Jahr. Nur ein ausgereifter Appel bringt das volle Aroma. Auch ein gerade frisch zu Boden gefallener Apfel ist ideal, denn einen besseren Reifezustand gibt es nicht. Da wir alle Äppel während des Kleinschneidens sowieso begutachten, werden wir zu diesem Zeitpunkt alle faulen und weichen Stellen wegschneiden. Also: was am Boden liegt, nehmen wir gerne. Wer einen Besitzer von Streuobstwiesen kennt, kann dort einmal nett anfragen, ob Einsammeln erlaubt ist. Vielerorts ist das Ok, aber bitte nicht wildern und einfach einsammeln, was herumliegt. In unserem Fall hat unser Freund Micha die vom Nabu in Bingen verwaltete Streuobstwiese zu Verfügung gestellt. Und so haben wir quasi ein gutes Werk getan, Anfang Oktober die heruntergefallenen Äpfel aufzusammeln und zu verarbeiten. Vom Saft haben wir natürlich unseren Zehnten abgetreten und vom späteren Apfelwein auch. Je mehr unterschiedliche Sorten von Äpfeln dabei sind, umso besser. Reif, säuerlich und mit Charakter – so soll ein echter Streuobst-Apfel sein.
Waschen, Schneiden, Häckseln
Da wir keine Blätter, Schlamm, Schnecken und anderes Gekräuch in unserem Saft haben wollen, müssen die Äpfel gewaschen werden. Hierfür bieten sich große Kunststoffwannen an (da ist sie wieder, die Bütt, wie schon bei unserer Weinernte!) oder man schichtet die Äppel auf Stiegen und spritzt sie kräftig ab. Von jetzt an muss einem bewusst sein, dass alles, was noch dran ist auch mehr oder weniger im Saft und damit im späteren Apfelwein landet. Kurzum: alles, was nicht Apfel ist, sorgt für einen schlechteren Geschmack.
Das Zuschneiden der Äpfel ist reine Fleißarbeit. Als Amateure nehmen wir jeden Apfel mindestens zweimal in die Hand: einmal zum Waschen und später nochmal zum Kleinschneiden. Erst alle braunen und weichen Stellen weg, danach noch in Viertel schneiden und schon darf das Apfelfilet in den Häcksler. Hier scheiden sich die Methoden: der eine kauft sich einen neuen elektrischen Gartenhäcksler, der nur für die Äpfel verwendet wird. Der anderen greift auf die preiswerten Lösung für Apfelwein-Amateure zurück. Hierbei handelt es sich um einen Trichter mit darunter montierten Messerwalzen, welche die Apfelviertel in kleine Schnetzel verwandeln. Ab jetzt geht die Oxidation so richtig los und im Nu ist der Haufen aus Apfelschnetzeln braungefärbt. Aber so soll es sein, denn schließlich sind wir kein Pharmabetrieb und können nicht unter Luftabschluss arbeiten. Ist die Wanne voll, wird die Vorrichtung zum Pressen mit der Apfelmasse gefüllt.
Pressen der Äpfel
Auch zum Thema des Auspressens gibt es sehr unterschiedliche Werkzeuge und Methoden. Der Profi besitzt eine große automatische Presse, die mehrere Lagen Apfelschnetzel zugleich auspressen kann. Der Laie muss auf tonnenartige manuell bediente Maschinen zurückgreifen. Grundlage ist eine Konstruktion aus Sparren wie bei einem Holzfass, in das der zu pressende Apfelmatsch hineingefüllt wird. Beim Pressen gibt es jedoch große Unterschiede. Die kleinen Pressen drücken von oben einen Stempel per Gewinde immer tiefer nach unten, um den Apfelbrei zu verdichten. Der Brei liegt in einem durchlässigen Tuch und kann nach dem Auspressen im trockenen Zustand leicht entfernt werden.
Die größeren Pressen drücken auch per Gewinde, allerdings ragt die Gewindestange in der Mitte des Pressfasses nach oben und eine Art Deckel wird kontinuierlich nach unten auf die Masse gedrückt. Um das Pressen zu erleichtern, kann mit einer Ratschenfunktion in kleinen Schritten ordentlich Druck ausgeübt werden. Viel mehr als bis zur Hälfte werden auch wahre Herkulesse den Brei nicht zusammendrücken können und dann ist er schon ziemlich trocken und bildet einen schönen „Apfelkuchen“. Wer mehr Saft erzwingen will, muss auf Maschinenhilfe umsteigen. Der Preis ist dann aber eine etwas niedere Qualität, denn je mehr ausgepresst wird, desto mehr Flüssigkeit aus den harten Bestandteilen des Apfels gelangen in den Saft und machen ihn herber. Ein Mittelding wäre eine hydraulische Tonnenpressen, die aber preislich schon nicht mehr in der Region des Hobbykelterers liegt.
Der frische Apfelsaft – der Most
Sobald man vorhat, aus frischem Apfelsaft einen Apfelwein zu machen, darf man den Saft „Most“ nennen. Warum, weiß ich nicht, es klingt aber schon fast nach Vollrausch. Am unteren Rand der Presse tritt nun der frische braune Apfelsaft aus und sollte sogleich aufgefangen werden. Auch hier wieder der Unterschied vom Laien zum Profi: der Laie wird nun alle verfügbaren Gefäße befüllen, während der Profi schon jetzt weiß, dass die erste Pressung noch voller Schwebstoffe ist und am besten für ein paar Stunden in Ruhe stehen sollte. Die Pfade von Laien und Profis trennen sich hier nicht ohne Grund. Wer viel Saft presst, hat später auch viel Apfelwein. Und der sollte möglichst rein und gut zu lagern sein. Zu viele Schwebstoffe wären hier hinderlich. Der Laie wird den Saft sehr wahrscheinlich direkt im Auffanggefäß zu Wein vergären lassen und noch vor Weihnachten vernichtet haben. Der Aufwand des Profis in Bezug zur Konservierung wäre hier also fehl am Platze.
Alle Schritte bis hierhin kann man sich sparen, falls man eine vertrauensvolle Quelle von frisch gepresstem und unbehandeltem Apfelsaft kennt. Auf dem Mainzer Wochenmarkt finden man zum Beispiel einen Anbieter, der guten Saft verkauft und auch ein Obsthof wie der in Erbenheim gleich in unserer Nähe ist ein gute Quelle. Bei anderen Verkäufern wäre ich vorsichtig… mir scheint der Saft doch manchmal gar zu dünn zu sein. Unsere eigene Ausbeute bestand aus 18 Litern Saft, was zwei Pressungen à 9 Litern entsprach. Damit lag unsere Saftausbeute von etwa 40 Kg Äpfeln bei etwa 50%, was sich ohne stärkere Maschinen nur schwer steigern lässt.
Der Kellermeister schreitet zur Tat
Die Hauptarbeit wäre geschafft, ab jetzt gilt es „nur“ noch, den Gärprozess zu kontrollieren. Als Laienkellermeister sollte man sich an eine bewährte Vorgehensweise halten. Voraussetzung ist die Anschaffen eines Kunststoffbehälters mit Gärspund und Auslaufhahn (bei mir vom Hersteller Speidel) sowie von Reinzuchthefe, Nährsalz (beides von Kitzinger) und Kaliumpyrosulfit (Schwefel). Da auch dieser Blogartikel nicht alle Details der Apfelweinherstellung abdecken kann, sollte man sich vorher gut informieren. Sehr umfangreich ist die Webseite Fruchtweinkeller.de (unbedingt alle Kapitel lesen), wo man zusätzlich noch ein prima Forum findet. Auf Obstpresse.de kommentiert und beantwortet ein alter erfahrener Kelterer viele Leserbriefe und gibt massenhaft Tipps zu allen erdenklichen Themen rund ums Keltern. Wer dann noch nicht genug hat, findet auf dieser urigen Webseite ein paar Infos zum kulturellen Background des Ebbelwois. Und auch der Peter hat ein paar gute Tipps und Videos für den Hobbykelterer. Wer es lieber kompakt und zum Ausdrucken mag, kann sich dieses Merkblatt der bayerischen Obst- und Gartenbauvereine herunterladen und ausdrucken. Im Prinzip ist auf dieser Doppelseite alles Wichtige gesagt.
Für meinen ersten Versuch sollte es weniger um Experimente gehen als darum, überhaupt etwas Trinkbares zu produzieren. Und so hielt ich mich streng an die Anleitung:
- Den frischen Saft ein klein wenig schwefeln
- Reinzuchthefe in Pulverform mit etwas Saft ansetzen, bis es schäumt und dann ab ins Fass
- Bisschen Nährsalz dazu
Der Schwefel wird ansonsten nur noch für das Wasser im Gärspund benötigt, so dass es nicht verdirbt. Das ist schon alles und im Ergebnis sieht es dann so aus, wie auf dem Bild oben. Durch die viele Nascherei ist das Fässchen Ende November leider schon zur Hälfte leer… In den nächsten drei Wochen seit dem Ansetzen lief der Gärprozess ganz nach Lehrbuch ab, es hat eifrig geblubbert und im Keller sehr angenehm gerochen. Irgendwann war aller Zucker vergoren und der frische Apfelwein musste probiert werden.
Auf dem obigen Bild ist der Ebbelwoi 2,5 Wochen alt, also noch nicht ganz durchgegoren. Farblich wirkte er wie Morgenurin, war also noch nicht ganz klar. Geschmacklich hatte er volles Apfelaroma aber eine Säure, dass es in der Kehle brannte. auf dem nächsten Bild ist der Kleine schon 6 Wochen alt und absolut klar. Geschmacklich ging er kurz vorher noch in Richtung Federweißer und war schon weit weniger sauer, aber dafür schön fruchtig. Der Federweißer-Touch hat sich nach 6 Wochen schließlich verzogen und die Säure ist nun auch auf einem gesunden Pegel angekommen. Gemessen habe ich nie irgendetwas – weder den Ausgangszucker noch die Säure. Auch abgezogen, umgefüllt und nochmal geschwefelt wurde er nicht. Warum auch, er wird sowieso Weihnachten nicht überleben. Mein Fazit: so wie er jetzt schmeckt, kommt er mir schon wirklich sehr lecker vor. Nur die spätere Entwicklung des Geschmacks wird mir leider entgehen. Deshalb wird nächstes Jahr mehr gekeltert, soviel steht fest.