Seit ich die „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ gelesen hatte, musste es Lissabon sein. Hier endete zwar das Buch, aber in meinem Hirn ging die Story weiter. Kaum zwanzig Jahre später war ich endlich dort, um einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Madeira einzulegen.
Inhalt
Eine Stadt für bekennende Hochstapler
Nur in echt ging die Story leider nicht weiter. Zwar ließ der Zusatz „Der Memoiren erster Teil“ vermuten, dass es auch einen zweiten gäbe. Aber nach kurzer und enttäuschender Recherche fand ich damals schnell heraus, dass dem nicht so war. Wie konnte das sein, dass Thomas Mann mich als Leser so frech in die Irre führte? Wie konnte er das Buch einfach in Lissabon enden lassen, wo Felix Krull sich von seiner etwas reiferen Liebschaft aushalten ließ und es gerade begann, mondän und verrucht zu werden? Die Antwort liefert Wikipedia. Denn das, was Thomas Mann für den Abschluss des Romans geplant hatte, wäre auch für mich ein Grund gewesen, über eine Fortsetzung dezent zu schweigen: „Zuchthaus – Ehe – Flucht – Ende“. Einem Steven Spielberg oder Andrew Lloyd Webber wäre sicherlich noch so einiges mehr eingefallen. Inklusive Aliens und Ohrwürmern. Thomas Mann hatte in den 50er Jahren scheinbar andere Sorgen und ist dann leider auch gestorben, ohne den zweiten Teil je geschrieben zu haben.
Für mich war Lissabon jedenfalls ein willkommener Zwischenstopp auf dem Weg von Frankfurt nach Madeira. Gelandet wird hier sowieso, falls man nicht gerade aus Berlin kommt und mit EasyJet fliegt. Es sprach also nichts dagegen, erst am übernächsten Tag weiterzufliegen.
Alles muito simples mit dem ÖPNV
Die Stadt ist sehr einfach zu bedienen, bzw. zu „erobern“. Es gibt wie in vielen modernen Städten (ausgenommen Deutschland) eine Magnetkarte für ein Guthaben des ÖPNV. Man lädt gleich am Flughafen schon 10 Euro drauf und das reicht dicke, um sich zwei Tage frei zu bewegen. Egal ob mit der Metro (farbige Linien machen die Orientierung einfach), dem Bus oder der Straßenbahn. Eigentlich gibt es bloß noch eine einzige historische Straßenbahn, aber sie ist in jedem Fall eine Fahrt wert. Denn sie führt vorbei an verschiedenen Stationen im Innenstadtbereich. Da man vermutlich eh eine Tageskarte abbucht, kann man jederzeit auf- und wieder abspringen. Auch wenn das die Schaffner nicht so gerne sehen, denn Ordnung muss sein und eingestiegen wird am zentralen Plaza da Figueira (Rossio). Die Einheimischen machen das aber auch wie sie wollen, insofern sind Hemmungen nicht angebracht.
Zentral wohnen in Bairro
Meine Unterkunft habe ich nach viel zu langem Studium der Hotelkarte auf Booking.com schließlich im Bereich der Altstadt, nördlich von Bairro Alto gefunden. Gleich neben dem Hospital de São José findet man das „Quinta Colina Boutique Guesthouse“. In der Nebensaison, in meinem Fall November, ist das sogar bezahlbar. Service, Frühstück und Lage sind perfekt. Nur den Schimmel im Zimmer müssten sie demnächst mal in den Griff bekommen. Denn ein geiles Frühstück ist mir noch lange keine Tuberkulose wert.
Man fällt förmlich aus dem Hotel den Hang hinab in das pralle Leben hinein: südlich der Plätze Restauradores, Rossio und Martim Moniz geht die Post ab. Hier findet jeder das Lokal seiner Wahl und den kleinen Shop mit lissabonner Mitbringseln. Haschisch und Koks bekommt man ebenfalls auf Schritt und Tritt angeboten. Das ist zu Beginn etwas befremdlich, aber scheinbar gehören die gut gekleideten Dealer hier zum Straßenbild dazu. Einmal Kastanien mit Koks, bitte. Ich hätte mal nach dem Preis fragen sollen. Denn in Deutschland sind Kastanien mittlerweile so teuer geworden, dass man hier für denselben Preis bestimmt noch ein Löffelchen Koks dazu bekommen hätte.
Lecker und günstig Essen
Ein wenig Vorsicht ist bei all den Restaurants geboten, die einen über Animierherren zum Eintreten bewegen wollen. Zwar ist die Qualität auch dort nicht schlecht. Dafür lässt aber die Menge und der Preis zu wünschen übrig. Etwas authentischer wird es auf dem Weg zurück ins Hotel. Das „Verdhe Minho“ oder das „Cerqueira“ sind solide Grillschuppen, wo man zwar wenig spricht aber dafür einiges bekommt für seine Kohle. In Kroatien wären das ganz einfache „Konobas“. Es ist also nichts Besonderes, außer, dass man preislich nicht übers Ohr gehauen wird. Eine ganze mittelgroße Dorade mit Beilagen für 10 Euro, da lacht das Schwabenherz!
Für mich persönlich war nach all den Erlebnissen noch kulinarisch ziemlich viel Luft nach oben. Daher bin ich kurz entschlossen später noch im „Gambrinus“ eingekehrt. Von außen sah der Laden am Tag zuvor schon denkbar unspektakulär aus und sowas lässt mich immer aufhorchen. Drinnen wurde ich dann von livrierten Obern empfangen und setzte mich direkt an die Bar. Dort ließ ich mir das halbe Dutzend Austern und die Nierchen in Sauce Madeira schmecken und war wieder mit der Welt im Reinen. Preislich lag dieser Edelschuppen auf gehobenem deutschen Restaurantniveau. An der Bar ist die Auswahl etwas geringer, aber dafür ist es dort auch erschwinglicher. Man braucht jedenfalls kein schlechtes Gewissen zu haben: Preis-Leistung stimmen.
Apropos Preise. In der Nebensaison sind die Hotels und erst recht die Ferienwohnungen günstig im Angebot. ÖPNV, Essen in Restaurants, Kaffee etc. alles ist wirklich billig. Man könnte es vielleicht mit Kroatien von vor 10 Jahren vergleichen. Besonders Fischgerichte sind zu empfehlen. Man bekommt sie überall in guter Qualität und zu einem Preis, wo der Franzose nicht einmal das Austernmesser für wetzen würde. Schleckermäuler und Süßspeisenfanatiker kommen ebenfalls auf ihre Kosten in all den Pastelarias, die es hier gibt. Fazit: lecker und billig. Ok, man soll ja „billig“ nicht verwenden, weil dem Wort die niedere Qualität schon anhaftet. Dann also „günstig“!