Als „Mispelchen“ wird ein Getränk aus Calvados, garniert mit einer eingelegten Mispel aus der Dose bezeichnet. Aber was zum Geier ist eigentlich eine Mispel?!
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Man nehme: Mispel und Apfel
Als jemand, der in und um Frankfurt lebt und in Hessen aufgewachsen ist, glaubt man ja, eigentlich schon alles über die hiesigen Kultgetränke zu wissen. Als ich aber neulich mit Freunden in einer sachsenhausener Apfelweinwirtschaft saß, musste ich mich von Eingeplackten mit Hemd und Krawatte belehren lassen, was ein „Mispelchen“ ist. Normalerweise kümmert mich das Kluggescheiße von irgendwelchen Bankern und selbsternannten Gordon Gecko’s herzlich wenig. Aber diesmal hatten sie Recht: es gibt seit geschätzten 15 Jahren eine Frankfurter Spezialität, die an mir vorbeigegangen ist. Vielleicht stand sie auch schon immer auf der Getränkekarte und wurde von mir bloß als Modegetränk abgetan. Aber das würde dem Mispelchen Unrecht tun. Denn es hat eine Eigenschaft, die sie für immer im Frankfurter Kosmos verankern wird: Äpfel!
Ok, nur die eine Hälfte ist aus Apfel, nämlich der Calvados, in dem die Mispel schwimmt. Und der stammt aus Frankreich. Ist aber auch kein Problem, denn schließlich sind vor langer Zeit genügend Hugenotten hier eingewandert und es waren sicherlich sie, die den Calvados im Ledersäckel hatten und hier einführten.
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Mispel ist nicht gleich Mispel
Dazu kommt die andere Hälfte des Getränks, nämlich die Mispel. Wieder so ein urtümliches Gewächs, das vor langer Zeit einmal einen festen Platz in Europa hatte aber mittlerweile größtenteils verschwunden ist. An manchen Plätzen wächst der Baum aber noch, man muss nur aufmerksam hinschauen. Im Saarland nennen sie die aprikosenartige Frucht übrigens „Hundsärsch“, da sie vom Pol aus betrachtet ein wenig an die Poperze eines Köters erinnert. Sie machen Schnaps daraus, was sonst. Für den Frankfurter Mispel-Drink wird heutzutage in der Regel die Japanische Wollmispel verwendet, siehe meine Bilder. Die wird vor allem in der Türkei angepflanzt und ist deshalb bei jedem türkischen Gemüsehandler günstig zu kaufen. Oder man bringt sie aus dem Urlaub in der Toskana mit, auch dort stehen die Bäume in den Städten oft zur Zierde herum.
Mispel vom Baum oder aus der Dose?
Der Mispelbaum fällt nicht besonders auf mit seinem strauchartigen, leicht krüppelig wirkenden Geäst. Das Obst, also die Mispel, wird erst im Spätherbst reif und hängt von nun an im dürren Gezweig des Bäumchens und warten auf jemanden, der sie erntet. Frost tut der Frucht gut, denn ansonsten ist sie steinhart und ähnlich ungenießbar wie die Quitte. Lässt man die Mispel also ein paar Wochen im Obstkorb vor sich hin reifen, dann kann man es schon wagen, einmal hinein zu beißen. Genug der Theorie, wo findet man schon Mispelbäume (z.B. am Kelkheimer Rettershof…)? Es ist doch wesentlich einfacher, sich eine Dose mit der eingelegten Frucht zu kaufen.
Aber woher nehmen, wenn man sie nicht selbst eingedost hat? Im Supermarkt findet man in der Büchsenabteilung zwar eine Menge Obst von der Williams Christ Birne über die Hotelfrühstückobstgarnitur bis hin zur Lychee. Aber die Mispel gibt es nur in sehr wenigen Märkten. Gute Chancen hat man außerhalb des Frankfurter Raums, denn die „Mispelchen“-Grenze verläuft recht genau am Rande des Frankfurter Postleitzahlenbereichs entlang. Und innerhalb dieses Bereichs sind die seltenen Lieferungen schnell ausverkauft. Wer aber einen Asia-Supermarkt um die Ecke hat oder einen dieser türkisch-arabischen Läden mit einem Sortiment zwischen Souk und Toom-Baumarkt, der kann es auch hier versuchen. Unter der Bezeichnung „Loquat“ wird man oft fündig (Nachtrag 2024: man bekommt sie inzwischen überall, sogar frisch beim Rewe). Ob das jetzt ganz exakt die gleiche Sorte ist, das kann sicher der Botaniker klären (oder man liest die drei Zeilen in Wikipedia, es ist eigentlich die Japanische Wollmispel). Schmecken tut sie jedenfalls ziemlich ähnlich und auch preislich ist diese Variante sehr attraktiv.
A propos Preis. Man kann ohne weiteres 8 Euro pro Dose mit vielleicht 10 Früchten ausgeben („Mispeln aus der Wetterau“). Es geht aber auch billiger, z.B. beim Gourmet Versand für unter 5 Euro oder bei der Metro für 3 Euro. Die frische Mispel dagegen kostet das Kilo etwa 5 Euro, manchmal auch weniger.
Trinken bitte mit Genuss
Wie man das Mispelchen jetzt zubereitet, ist schnell erklärt: Calvados ins Cognac-Gläschen geben, eine Mispel dazu und „Kopp in‘ Nacken“, wie der Norddeutsche zu sagen pflegt. Ob man jetzt noch einen Schuss Dosensirup zum Calva gibt oder nicht, die Mispel auf einen Zahnstocher spießt oder nicht, das ist wirklich Geschmacksache. Auch erhitzt und genossen wie ein warmer Sliwowitz macht sich das Mispelchen gut. Ob sie eines Tages der gleiche kulturelle Ausverkauf wie Pfläumchen, Willi & Co. ereilt, die auf Österreichs Party-Skipisten rund um das Epizentrum von Ischgl und St. Anton gereicht werden, weiß ich nicht. Aber verkehrt wär’s sischer aach net.
Ab in den Einkaufswagen
Rund um den „Mispelchen Drink“, also den Mispel Schnaps, ist mittlerweile eine kleine Industrie entstanden. Man kann sich das Mispelchen fertig gemischt bei verschiedenen Anbietern als Shot kaufen. Oder man macht es einfach selbst mit günstigen Mispeln aus der Dose (bzw. Loquats) und Calvados.
Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Käufen.
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