Was schenkt man seinem Freund, wenn einem sonst nichts mehr einfällt? Richtig, eine Stadtführung. Wir waren als Mainzer unterwegs in Dribbdebach und haben das Wiesbadener Westend kulinarisch entdeckt.
Eine kulinarische Städtetour
Als ehemaliger Frankfurter habe ich mir das Hibbdebach und Dribbdebach einfach mal ausgeliehen, denn das Konzept von zwei rivalisierenden Städten greift natürlich auch bei Mainz und Wiesbaden. Obwohl Wiesbaden nicht wirklich am Rhein liegt bis auf die drei Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim („rechts des Rheins ist auch noch Mainz“), die früher einmal zu Mainz gehörten. Alles bekannt, so wie viele der Infos, die man als Einheimischer von den Tourguides meistens aufgetischt bekommt.
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Vor fast genau zehn Jahren hatte ich schonmal eine kulinarische Stadtführung mitgemacht. Damals im Frankfurter Nordend mit Laura Di Salvo, der Wetterfee des Hessischen Rundfunks. Genau wie damals habe ich auch diesmal bei „Eat The World“ gebucht, allerdings für 44 Euro pro Person anstatt für damals 30. Dafür spaziert man ca. drei Stunden lang durch den jeweiligen Stadtteil und darf den Ausführungen des Guides lauschen. In diesem Fall wurde nicht nur gelauscht, sondern auch noch Schnabuliert. An fünf Stationen gab es kleine Häppchen und manchmal ein paar nette Worte des Besitzers der jeweiligen Gastronomie dazu. An diesem sonnigen Tag im Frühsommer zeigte sich das Wiesbadener Westend jedenfalls von seiner attraktivsten Seite und die prachtvollen Häuser aus der Jahrhundertwende mit ihren verschachtelten Hinterhöfe strahlten um die Wette.
Start an der Ringkirche
Der Tourbeginn war an der Ringkirche, also direkt an der B54, die sich hier im Halbkreis durch Wiesbaden schlängelt und das Westend beschneidet. Nachdem sich alle zehn Teilnehmer eingefunden hatten, bekamen wir von der etwas zerstreuten Guidin ein paar historische Fakten über Wiesbaden und die Umgebung eingetrichtert sowie den groben Zeitplan mitgeteilt. Der war nach dem Ende ihres Vortrags schon Makulatur und so zogen wir los zum ersten kulinarischen Zwischenstopp.
Tillys Café Walz
Ungefähr schräg gegenüber und auch direkt an der Ringstraße befindet sich das „Tillys Café Walz„. Die neuen Besitzer haben dieses uralte Traditionscafé kurz vor Corona übernommen und dezent modernisiert. Hier erwartete uns der nachträglich betrachtet beste Zwischenstopp. Auf den Tischen waren schon Teller mit einem sehr saftigen Kirschstreusel und einer leicht exotischen Quiche gedeckt. Dazu konnten wir uns auf eigene Kosten Kaffee & Getränke bestellen. Der freundliche Wirt erzählte ein paar nette Worte und schon wurden die Cappuccinos serviert. Fazit: fittes und flottes Team, leckerer Kaffee & Kuchen, stilvolles Ambiente!
Conditorei-Café Gehlhaar
Ab jetzt wurde es leider etwas hektisch. Wie schon erwähnt, hatte unsere Führung kein richtiges Zeitgefühl und so stürmten wir zum nächsten Stopp, der schon kurz vor dem Schließen war: die Marzipankonditorei Gehlhaar. Kurz und schmerzlos bekamen wir vor der Tür zwei Stückchen Marzipankonfekt und die Infos, dass es sich hierbei um Königsberger Marzipan handele. Als Angestellter einer Lübecker Firma ist mir das gute Marzipan von dort ein Begriff. Und die Lübecker Variante schätze ich sehr wegen ihrer Fluffigkeit. Angeblich wäre das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Sorten das Abflämmen der Oberfläche des Konigsberger Marzipans. Nun ja – die Lübecker bieten das ebenfalls an und mir schmeckt deren Variante einfach besser, sie knirscht auch weniger zwischen den Zähnen. Abhaken unter „Geschmacksache“.
Café wunderbar
Nach all dem Kuchen und Marzipan verlangte es uns so langsam nach einem Spezialisten für Essiggurken… leider war keiner in Sicht, dafür aber das nächste Café namens „wunderbar“ an der Dotzheimer Straße. Der Besitzer erzählte uns ein paar Stories über sein Konzept des Fair Trade und dass er auch sehr erlesene Kaffeesorten im Angebot hätte. Er klang so, als würde er gerne in Richtung Specialty Coffee gehen wollen mit hochwertigen aromatischen Arabicas aus Äthiopien. Allerdings hatte er nur eine einzige Sorte in der Mühle… da geht noch was, würde ich sagen.
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Als kleinen Appetizer bekamen wir ein espressogroßes Schlückchen kalt gebrühten Kaffee („Cold Brew„) aus dem Kühlschrank. Ich fand es trotz der 24h Ziehzeit recht fade im Geschmack und durchscheinend im Aussehen. Nicht mein Ding. Als Kaffeejunkie bestellte ich mir dann noch einen „richtigen“ Espresso der Sorte „Hausmischung“ und kaufte noch ein kleines Päckchen Bohnen zu Apothekerpreisen. Nun denn, wenn sich solche Cafés auch zukünftig noch an Stadttouren beteiligen sollen, dann muss es sich für sie schließlich auch lohnen. Als ausgebildeter Barista (siehe meinen Artikel zur SCA-Ausbildungswoche) musste diese Unterstützung außerdem sein. Obwohl das Schlückchen kalter Kaffee schon ein bisschen frech war.
So, alle nochmal schnell Pipi machen und weiter zogen wir durch das Westend! Die Beiträge unserer Führerin wurden immer spärlicher. In Erinnerung blieb noch ein bisschen was zur Gentrifizierung des Viertels, den Hinterhöfen und der Kunst im Freien. Die Westendler nennen das ganze „Westend-Galerie“ (Ecke Goeben- und Bertramstraße) und es bedeutet, dass man in einigen Vorgärten verschiedenste Kunstwerke bewundern darf. Dazu kommt die linksalternative Ausrichtung der Anwohner und schwupps wird man per Schilderwald über die Namenshistorie einiger Straßen des Viertels aufgeklärt, die von Generälen und Kriegsherren abstammen. Und nochmal schwupps ein paar Schritte weiter in Richtung Süden landet man im Café Klatsch (nicht Teil der Führung), wo es so linksalternativ zugeht, dass man von der Bedienung erst beachtet wird, wenn man aus der Mao-Bibel zitieren kann.
Bovins pure and natural Restaurant
Jetzt aber wirklich weiter, und zwar zum Restaurant des Ehepaares Bovin, denn daher stammt auch der Name der Lokation. Ich dachte zunächst an einen Spezialisten für Rindfleisch wegen „Bovidae“, den Horntragenden“. Ihre Speisekarte bietet aber viel mehr als das, nämlich ganz verschiedene Sorten Bio-Grillfleisch (wo bekommt man das sonst?) und darüber hinaus eine attraktive Auswahl an vegetarischen Gerichten. Die klingen auf der Karte nicht nach dem 0815-Zeug, das anderswo serviert wird, sondern man traut den Wirten auch hier echte Leckereien zu. Drinnen steht ein kleiner Räucherofen und so kommt es, dass man hier wohl das leckerste Beef Jerky östlich von Amerika kaufen kann. Ihren Schinken stellen sie auch selber her… wow, das sind Ambitionen!
Unser Gruß aus der Küche bestand aus einem Teller mit Backofenkartoffeln und Spargel mit selbstgemachter Sauce Hollandaise. Selbstgemacht? Wieder wow, welcher Gastwirt macht das heute noch? Der Spargel war nicht nur gekocht, sondern nochmal kurz angebraten. Zwar ist er ein wenig salzig geraten, aber diese Probierportion war dennoch beeindruckend und wäre ich Wiesbadener, würde ich hier sicherlich einmal „richtig“ einkehren. Etwas unpassend fanden wir leider die Katze des Hauses mit ihren langen Haaren, die sich überall verfingen… Tiere habe ich gerne, aber nicht am Esstisch.
KAORU Japanisches Sushi Restaurant
Die letzte Station der kulinarischen Tour durch das Westend war das Japanische Sushi Restaurant KAORU, ebenfalls an der Dotzheimer Straße gelegen. Für unsere Gruppe gab es einen Snack namens Gyoza. Das sind asiatische Teigtaschen mit unterschiedlicher Füllung. Für jeden waren zwei Stück vorgesehen und es gab sie mit Fleisch oder vegetarisch. Lecker aber unspektakulär. Von den Betreibern dwar leider nichts zu erfahren. Diese Station war als Filiale einer Restaurantkette im Prinzip austauschbar und hat irgendwie nicht zum Wiesbadener Flair der anderen Läden gepasst. A propos vegetarisch: beim Buchen der Tour konnte man angeben, welche Vorlieben bzw. Einschränkungen man hat. Zum Beispiel kein Fleisch, kein Fisch oder kein Alkohol. Letztendlich war das komplett wurscht, da fast alle Snacks vegetarisch waren und man die Getränke sowieso selbst bezahlen musste.
Fazit
Im Vergleich zur Frankfurter Westend-Tour vor zehn Jahren hat sich tatsächlich nichts geändert. Die kulinarischen Städtetouren von Eat The World sind nichts Halbes und nichts Ganzes. Wer auf Geschichtsunterricht steht, wird enttäuscht sein. Und wer sich kulinarische Offenbarungen und Insidertipps erhofft hat, wird ebenfalls nicht zufrieden sein. Meine Empfehlung lautet also, je nach Interesse lieber eine „klassische“ Tour zu buchen und die unterwegs gefundenen Locations dann separat anzulaufen. Oder man greift etwas tiefer in die Tasche und bucht einen „richtigen“ kulinarischen Abend. Dabei wird für jedes Element des Menüs ein neues Restaurant angelaufen. Das klingt spannend, kostet aber mehr als doppelt so viel.
Für den Preis dieser Tour sollte man sich lieber das unten abgebildete Buch kaufen: „Alles Gute – Die Welt als Speisekarte„. Hier schwärmt der Gourmet Christian Seiler von vielen seiner kulinarischen Entdeckungen rund um die Welt und das liest sich so realistisch, dass einem regelrecht das Wasser im Munde zusammenläuft. Er hat sich den Wunsch „eat the world“ ganz einfach selber wahrgemacht!
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